MARKENPFLEGE - Problem Größenwahn
Der Spiegel
Peter Littmann, 55, Unternehmensberater (Brandinsider GmbH) und Ex-Boss- sowie Ex-Joop-Chef, über das Billigfieber deutscher Konzerne
SPIEGEL: Auch große Unternehmen wie TUI oder Sixt versuchen neuerdings, dem "Geiz ist geil"-Trend zu folgen. Was bringt die Strategie?
Littmann: Sie wird sich schnell rächen. Billigtöchter wie Discount Travel bei TUI oder Sixti bei Sixt dürften zwar kurzfristig ein bisschen mehr Umsatz bringen. Aber dabei schmelzen auch die alten Gewinnmargen weg. Vor allem zerstören die Unternehmen mutwillig ihr wichtigstes Kapital: die Glaubwürdigkeit ihrer Marken.
SPIEGEL: Wieso? Man kann doch auch neue Kundenschichten erobern.
Littmann: Aber der Vertrauensverlust ist gewaltig. Dem Kunden wird ja oft dasselbe Produkt geboten - nur günstiger. Er muss sich zu Recht betrogen fühlen. Stellen Sie sich zwei Urlauber vor, die sich im TUI-Flieger unterhalten: Der eine bekam den Trip zum Discount-Tarif, der andere zahlte den vollen Preis. Der wird nie wieder mit TUI fliegen, sondern beim nächsten Mal gleich zu Ryanair gehen. Und wer bei Sixt für fünf Euro einen Mietwagen ordert, findet im klein Gedruckten einen Rattenschwanz an Zusatzkosten, die er vorher nicht kannte. So kannibalisieren sich diese Unternehmen selbst. Ihr Problem ist der Größenwahn, Wachstum um jeden Preis zu wollen.
SPIEGEL: Sie predigen Zurückhaltung?
Littmann: Die meisten Unternehmen sollten das Billiggeschrei jenen überlassen, die was davon verstehen: etwa Aldi im Handel, Ryanair im Tourismus, H&M bei der Mode. Sonst schießen sie sich ganz schnell ins eigene Knie.
DER SPIEGEL 25/2003