Zielgruppe vom Feinsten: Die Aficionados

Von Peter Littmann

40-Stunden-Woche? Die meisten Leute, die ich kenne, versuchen einen 40-Stunden-Arbeitstag in den Griff zu kriegen ..." So oder so ähnlich lautet das Credo der Wichtigtuer. Bei ihnen gilt das Gesetz: Wer schon nächste Woche einen Termin offen hat, ist erfolglos oder unbeliebt. Dazu kommt die Überzeugung: "Die Bedeutung eines Menschen erkennt man daran, was er mit seiner Freizeit anstellt." Da wird gerannt, gemalt, gekocht und gegärtnert bis die Schwarte kracht.


Wahrscheinlich gilt die ewige Hektik der Gefahrenvermeidung. Ruhe hat schließlich ihre Risiken, der Mensch könnte ja aus Versehen ans Nachdenken geraten. Eine Minderheit jedoch liebt gerade dies und zieht sich daher in Stunden der Muße in einen Sessel zurück, begleitet von erlesener Schokolade, einer Tasse überragendem Tee oder einem Glas Bordeaux - und mit einer ordentlichen Zigarre.

Spätestens jetzt fängt die Anti-Raucher-Lobby an zu kreischen. Hier soll aber nicht die Rede sein von 20 Kippen am Tag, sondern von einer gelegentlichen Zigarre. Gemeint ist nicht Rauchen aus Stress, sondern das Gegenteil: rauchgeschwängerte Entspannung.

Zigarren verkaufen sich wie geschnitten Brot. Kuba alleine hat 2006 rund 370 Millionen Dollar mit Habanos - also handgefertigten Premium-Zigarren - umgesetzt. Dabei kommen gute Zigarren inzwischen auch aus Nicaragua, Mexico oder der Dominikanischen Republik. Viele davon landen in Westeuropa, einem wachsenden Markt.

Man mag denken, die Europäer hätten die Muße wiederentdeckt, denn Zeit braucht eine Zigarre immer. Schon eine Petit Corona schenkt 30 Minuten Genuss, eine richtig gerauchte Cohiba muss man in Stunden rechnen. Doch die Renaissance der Zeitlosigkeit ist unwahrscheinlich. Die Mechanismen scheinen komplizierter.

Dass Rauchen und Werbung für Tabakwaren gerade überall verboten werden, gibt dem blauen Dunst zunächst einmal die attraktive, spannende, verruchte Aura zurück. Wie sehr Verbote die Attraktivität ankurbeln, lässt sich an Zigarren wunderbar zeigen: In den USA verbiegen sich reiche Leute rückwärts, um mit allerlei Tricks ihre begehbaren Humidore mit kubanischen Zigarren zu füllen. Am Geschmack kann es nicht liegen, denn viele dieser Leute trinken ihren Weißwein mit Eiswürfeln. Nein, das Handelsembargo mit der kleinen Insel macht die heiße Ware erst zur heißen Ware.

Zigaretten bleiben trotz der Rauchverbote nur begrenzt chic. Bei den glimmstengelrauchenden Berufsgruppen stehen Bauarbeiter, Fern- und Busfahrer an der Spitze: 52 Prozent greifen regelmäßig zur Zigarette. Unter Ärzten, Apothekern und Lehrern rauchen nur 18 Prozent. Wer über Intellekt verfügt, Bildung sogar, und sich sozial nach oben orientiert, bleibt in der Regel weg von Marlboro & Co.

Gleichzeitig haben in vielen Städten Zigarrensalons aufgemacht. In den super-edel ausgestatteten Lokalitäten darf noch geraucht werden, zur Auswahl steht oft ein regelrechtes Menü: Gute Zigarren sind "light and smooth" oder "rich and full-bodied". Ob alle Clubs überleben werden, steht in den Sternen, doch ihr Statement ans Publikum ist machtvoll: Zigarren werden an Plätzen geraucht, wo sich Glamour, Erfolg und guter Geschmack mischen.

Wie so oft hinter Erfolgsgeschichten steht Marketing hinter dem Siegeszug der Zigarre. Seitdem sich 2000 das französisch-spanische Konsortium Altadis mit 50 Prozent in das staatliche kubanische Zigarrenmonopol Habanos eingekauft hat, ist Vermarktung nach den Regeln der Kunst angesagt. Jede Sorte hat ihr eigenes Gesicht, es gibt Raritäten, Sammlerstücke, limitierte Auflagen und Humidore, alles vom Feinsten. Ebenso wie der Slogan für die berühmteste der Marken, die in Prä-Marketing-Zeiten nur für Fidel und seine Gäste gefertigt wurde: "Success is a place called Cohiba." Und da wollen jetzt alle hin.

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