McQueen ist King
Steve McQueen würde sich über den großen Bahnhof totlachen, wenn er das denn noch könnte. Der Schauspieler ist seit 30 Jahren unter der Erde – aber als Model ein Wiedergänger. Wie bei Hamlet der Geist des Vaters weht in der Modeindustrie der von McQueen durch die Shoppingmeilen: Gucci setzt auf sein Image, ebenso Hermès und Michael Kors, bei Vintage 55 gibt es eine Serie von Polos, die von seiner Begeisterung für Geschwindigkeit inspiriert ist: „Rennfahren ist Leben,“ pflegte er zu sagen, „alles andere ist nur Warten.“
Ferrari bewarb das Parfum „Passion“ mit ihm, Gap Bekleidung und TagHeuer Uhren - Rolex hat gar eine, die nach ihm benannt ist. Persol gestaltete eine Sonnenbrille, wie er sie tragen würde, Dolce & Gabbana eine T-Shirt-Serie mit seinen Filmmotiven. Dieses Jahr soll eine neue Lederwarenkollektion von Johnson Motors und GreenLight kommen.
Schon in den 60ern und 70er Jahren galt Steve McQueen als „King of Cool.“ Er selber fand das eher albern und sagte: „Ich glaube nicht an diese verlogene Helden-Verehrung“. Er war sich auch nicht sicher, „dass Schauspielern etwas ist, mit dem sich ein erwachsener Mann abgeben sollte.“ Doch Star zu sein, stand für finanziellen Erfolg und der bedeutete Sicherheit. „Ich habe einen zu großen Teil meines Lebens damit zugebracht, mich unsicher zu fühlen.“ Er trug unauffällige T- und Sweatshirts in gedeckten Farben, dazu gerade geschnittene Jeans, Windbreaker und Boots. Nichts, was nicht auch heute in jeder Kneipe in der Kölner Südstadt am Tresen stehen könnte. Also warum gerät ausgerechnet dieser selbstkritische Mann, der Größe peinlich fand, in die Mühlen der Modeindustrie?
Weil der Star tot ist, sich daher nicht wehren kann und weil die Erben sich über die Lizenzgebühren freuen, ist die offensichtliche Antwort. Dasselbe gilt für James Dean und seinen posthumen Auftritt für Japans Lee-Jeans, Marilyn Monroes für Master Card oder Frank Sinatras für einen kalifornischen Wein namens „Come fly with me.“ Auch Audrey Hepburns Abbild ziert Werbekampagnen auf der ganzen Welt – unter anderem eine für schwarzen Tee in Japan. Evian ließ sie zur „schönsten Frau aller Zeiten“ wählen und Gap musste viel Geld an den Audrey Hepburn's Childrens Fund bezahlen, um mit ihrem Image für Hemden und Hosen werben zu dürfen. Ähnlich wie Steve McQueen oder die Marilyn war auch die Hepburn voller Selbstzweifel: „Man könnte sagen, dass mein entschlossener Stil von dem darunter liegenden Gefühl der Unsicherheit und Unterlegenheit herrührt.“ Hepburn hasste es „flashy“ zu wirken und bestand daher darauf, nur von Givenchy ausgestattet zu werden. Ihr Sohn meint: „Sie wäre lieber zu unauffällig angezogen gewesen, als zu auffällig.“
Warum bloß ist die Modeindustrie so verliebt in Stars, die sich nicht mehr wehren können? Vielleicht, weil Fashionbrands in sie hinein projektieren können, was sie wollen? Dennoch bleibt die Zeitlosigkeit, mit der beispielsweise Steve McQueen sich kleidete, geradezu ein Kontrapunkt zur Modebranche, die alle paar Monate mit neuen Ideen kommen muss. Weil Hepburn oder McQueen beides beherrschten - die große Robe oder den Dreiteiler ebenso souverän wie Jeans und T-Shirt - geht es beim Coolness-Faktor ohnehin nicht darum, was die Stars trugen, sondern wie sie es trugen. Und genau das lässt sich in posthumen Kampagnen nur schwerlich reproduzieren.
Und doch: Das Zeug, das den McQueen-Stempel trägt, verkauft sich erstaunlich gut. Der Held der „Glorreichen Sieben“ steht für Understatement und das passt gut in Krisenzeiten - weniger, weil Steve McQueen heute noch Heldenstatus als Problemlöser hätte, sondern weil viele zeitgenössische Männer auch nicht herum laufen wollen wie ein Papagei und nach gut geschnittenen zurückhaltenden Kleidungsstücken suchen, in denen vor allem sie selber gut raus kommen – und nicht die schrägen Ideen eines Designers. Steve McQueen steht so gesehen auch für die Sehnsucht nach einer kinnkantigen Männlichkeit, die sich um Nachhaltigkeit oder Gleichberechtigung keine Sorgen machen muss.
Sorgen macht sich jedoch die Modeindustrie, da sie für Coolness auf die Zeiten vor vierzig, fünfzig Jahren zurückgreifen muss. Dass es offenbar kaum glaubwürdige zeitgenössische Stillikonen gibt, ist auch ihr Problem. Frei nach Steve McQueen: Unverwechselbares Design ist Leben, alles andere ist nur Warten.