Ob Plüsch, Plastik oder PC: Kinder wollen vor allem Spaß
Kinder werden zur bedrohten Spezies. Erstens gibt es in fast der gesamten entwickelten Welt immer weniger und zweitens leiden sie heute an so genannter “Age compression”, wie es die Amerikaner in ihrer unendlichen Weisheit ausdrücken. Der Begriff meint, dass konstant von den Medien beschallte Kinder heute schneller erwachsen werden und schon früh Markenbewusstsein entwickeln.
Teddy ist out, Gameboy ist in; Mensch-ärgere-dich-nicht war gestern, heute sind Halo 3 oder Super Mario Galaxy.
Glaubt man den US-Marktforschern, wünscht sich der Nachwuchs zwischen acht und zwölf in der Reihenfolge: Handy, DVD Player und Geschenkgutscheine. Die Youngsters verbringen immer früher immer mehr Zeit mit Computerspielen und Online-Aktivitäten und all die technisch getriebenen Freizeitaktivitäten rauben nicht nur die Zeit für Brettspiele und das gute Buch, sondern fressen auch die Schönheit der unbeschwerten Jahre...
Als die Hersteller traditioneller Spielwaren damit fertig waren, Krokodilstränen über das Ende der Kindheit und echte über sinkende Umsätze zu vergießen, unternahmen sie verschiedene Versuche, auf den digitalen Zug aufzuspringen. Der US-Riese Hasbro startete Linien mit einer PC- oder Internet-Komponente, Lego entwickelte elektronisch gesteuerte Figuren und baute Freizeitparks.
Dann geschahen seltsame Dinge. Lego musste existenzbedrohende 100 Millionen Euro Verlust melden. Gleichzeitig gerieten Megashops wie Toys R us mit ihrer Plastiklawine Made in China unter Druck, während sich in den USA Onlineanbieter wie Monkeybeantoys.com oder woodentoys-and-more.com mit teuren Qualitätsprodukten etablierten - schon bevor sich herausstellte, dass in China gefertigte Ware nicht unbedingt gesundheitsförderlich ist. Und in Deutschland fand die “Kids-Verbraucher-Analyse” in den Kinderzimmern der Sechs- bis Neunjährigen angeblich überwiegend Puzzles, Stofftiere, Spielekästen und Puppen. Das „Wall Street Journal” schrieb verblüfft: „Die Leute haben von dem Plastik-Spielzeug ganz offenbar die Nase voll.”
Wer mit Kindern lebt, weiss, das stimmt nur halb: Bunte Plastikware fasziniert besonders die Kleinsten. Bei den Teens sind Computerspiele beliebt wie nie zuvor - und die Umsätze der Spielwarenbranche gehen weiter zurück, in Deutschland im vergangenen Jahr um 1,8 Prozent auf 2,25 Milliarden Euro. Doch wie interpretieren wir diese Gemengelage nun? Stirbt die Kindheit und mir ihr klassisches Spielzeug, weil schon bei kleinen Kids nur noch technisch getriebene Action-Ware läuft? Oder erleben wir gerade eine Renaissance des Teddys und der alten Werte, die Plastikspielzeug in den Orkus verbannen?
Erwachsene Fragen, dummes Zeug! Im Grunde ist die Sache so einfach, wie Bauklötze stapeln: Kinder wollen Unterhaltung. Ob das Objekt des Vergnügens dabei aus Plüsch, Plastik, Holz oder Dioden besteht, ist den Kleinen zunächst mal völlig wurst. Hauptsache, es bringt Spaß. Der Chef von MGA Entertainment sagt: „Man kann Kinder für Spielzeug begeistern, wenn die Ware nur innovativ ist!” Seine Bratz sind der beste Beweis. Multi-ethnische Puppen in funky Kleidern und wilden Frisuren lassen nicht nur Barbie inzwischen ziemlich alt aussehen, sondern auch deren Hersteller Mattel.
Seitdem sich Lego auf sein Kerngeschäft besann und nur seine unfassbar vielseitigen Bauklötze macht, läuft der Laden wieder. 2006 hat sich der Gewinn verdreifacht. Playmobil hat sich im Gegensatz zu den Dänen nie auf Experimente eingelassen und den ganzen Computerschnickschnack ignoriert. Die kleinen Plastikmännchen faszinieren seit 30 Jahren die Kinder und mit einem Wachstum von fünf Prozent in 2006 auch die ganze Branche. Build-a-bear läuft wie geschnitten Brot: Kids können sich da ihr Knuddeltier selber aussuchen, ihm ein Herz und eine Stimme geben und seine Kleidung wählen. Carrera lockt kleine Formel-1-Fans (und ihre Pappis) jedes Jahr mit neuen technischen Finessen, sich ihre Bahn zusammen zu bauen.
All das bedeutet: Nicht nur sinkende Geburtenraten sind der Fehler, wenn Spielzeug nicht läuft. Schon gar nicht sind die “verwöhnten Blagen” schuld und auch nicht chinesische Fabriken, sondern alte, langweilige und phantasielose Produkte.