"Pferd, wieso Pferd? Hier gibt's fantastische Esel"
Kann ein Unternehmen durch Marketing ein Produkt verkaufen, zu dem die eigenen Kunden keine Affinität haben? Ist es sinnvoll einen Service zu bewerben, der mit den Kunden nichts zu tun hat? Ist Werbung in der Lage, die Wünsche und Ansichten der Kunden kurzfristig zu verändern? Nein, nein und nein – und was sind das überhaupt für langweilige Fragen?
Ersetzen wir das Wort „Kunde” durch „Mitarbeiter” wird es jedoch spannend, denn plötzlich sind wir an einem in vielen Unternehmen schmerzhaften Punkt. Die Belegschaft ist es schließlich, die ein Markenversprechen einzulösen hat. Produkte und Services bleiben Schattenwesen, ohne Leute, die sie entwickeln, produzieren, verkaufen, liefern und pflegen. Ein vollmundiges Markenversprechen nach aussen nützt also gar nichts, wenn die Mitarbeiter, die ihm Leben einhauchen sollen, keine Ahnung haben von seinem Inhalt und auch nicht kommuniziert kriegen, wie es denn umzusetzen wäre. Diese Schere klafft besonders weit, wenn es um endverbrauchernahe Unternehmensmarken geht – also beispielsweise die von Versicherungen, Banken, Gastronomie- und Handelsketten, Pharmaunternehmen oder Airlines.
Markenpflege nach innen findet jedoch immer noch selten statt. Obwohl konsistentes Brandmanagement jetzt schon seit 30 Jahren gepredigt wird, ist in vielen Unternehmen nicht einmal durchgesetzt, dass alle die Key Visuals einheitlich verwenden. Die einzelnen Geschäftsfelder und die darauf sitzenden Länderfürsten machen, was sie wollen. Da sieht Briefpapier in jeder Region anders aus, Prospekte sind nur ungefähr kompatibel und jeder Manager arbeitet mit seinen eigenen Powerpointvorlagen. Wenn schon beim Einsatz des Logos Durcheinander herrscht, werden die Mitarbeiter an der Basis weder verstehen noch akzeptieren, dass es einen übergeordneten Markenkern gibt.
Schon wahr, Marketing richtet sich per Definition nach außen. Sind sich die Experten doch schon lange einig, dass eine Marke nicht dem Unternehmen, schon gar nicht seinen Aktionären und zu allerletzt dem Herrn Marketingvorstand gehört, sondern vor allem den Kunden. Ihre Gewohnheiten, Bedürfnisse, Vorlieben und nicht zuletzt ihr Geld entscheiden über das Schicksal einer Marke. Manager und Investoren kommen und gehen, Kunden bleiben – hoffentlich.
Doch wem begegnet der Kunde, wenn er sich einem Markenartikel ausgesetzt sieht? Nicht dem Marketingdirektor, der die neueste Markenstrategie zusammen pinselte und auch nicht dem Werber, der die Kampagne dazu erfand, sondern dem Mitarbeiter, der tatsächlich die Ware an den Mann bringen soll. Das Ergebnis klingt oft wie folgt. Kunde: „Ich hätte gerne dieses Pferd.” Mitarbeiter: „Pferd, wieso Pferd? Hier gibts Esel.” Kunde: „Aber es heißt doch jetzt überall, eurer neues Produkt sieht aus wie ein Pferd, riecht wie ein Pferd und verhält sich wie ein Pferd.” Mitarbeiter: „Ähh... wir haben hier phantastische Esel. Auf die sollten Sie mal einen Blick werfen...” Das Ganze gibts natürlich auch in Zahlen, von BBDO beispielsweise. Vor geraumer Zeit hat die Agentur dazu eine Umfrage gemacht, derzufolge 75 Prozent der Marketing-Topentscheider finden, interne Markenbildung habe „einen hohen Einfluß auf den Unternehmenserfolg”, gleichzeitig sagt die Hälfte der Befragten, dass in dem Bereich noch “Optimierungsbedarf” bestehe.
Damit ist wohl gemeint, daß die Unternehmen zwar langsam eine gewisse Disziplin beim äußeren Erscheinungsbild anstreben, indem sie Vorlagen zur graphischen Verwendung des Logos im Internet hinterlegen und für die Mitarbeiter auch eine verbindliche „Markenbibel” verlegen. Nur ganz wenige Unternehmen sind allerdings mit ihrem Allerheiligsten so streng wie FedEx: Egal wo auf der Welt, jeder, der irgendwie das Logo einsetzen will, muss sich dazu die Erlaubnis in Memphis, Tennesee abholen.
Was in vielen Organisationen jedoch noch weniger klappt, ist das Wichtigste: Mit den Mitarbeitern reden, um ihnen ein Gefühl dafür zu geben, was der Kern der Marke ist, worin sie sich von allen anderen unterscheidet, wohin sie sich entwickeln soll und wieso jeder einzelne dazu beitragen muss, dass das auch passiert. Unternehmen, die das gut machen und ihre Marke ernst nehmen wie Walt Disney beispielsweise, wirken, als wäre die HR-Abteilung ein Teil des Marketingbereichs. Von der Personalauswahl über die Incentivesysteme bis zu Regeln des täglichen Umgangs mit Kunden hören die Mitarbeiter stets: Ihr alle seid die Marke, verhaltet euch auch so!