Handelsmarken: Der arme Verwandte wird vermögend
Im letzten richtig heißen Sommer 2003 erlebten Sonnenschutzmittel einen Wachstumsschub. Der Gesamtmarkt vergrößerte sich um stolze 16,7 Prozent. Allerdings nur, wenn man die Stückzahl der verkauften Flaschen betrachtet. Der Wertumsatz stieg nur um 6,7 Prozent. Wie kommt's? Die eigentlichen Gewinner waren die Handelsmarken. Schlecker baute den Marktanteil aus und dm legte zu – so sehr, dass sie zusammen fast an Branchenprimus Nivea heran kamen.
Ist das nun gut oder schlecht? Konkurrenz belebt das Geschäft. Doch wenn wir ehrlich sind: Die Handelsmarken schwächten in diesem Fall eigentlich nur die Kategorie. Sie kreieren ja keine neuen Produkte, sie imitieren nur, was die großen Labels tun – bloß billiger. Damit zwingen sie früher oder später auch die Herstellermarken in die Preissenkung und zertrampeln dabei die Margen - für Hersteller und Handel gleichermaßen. Der einzige, der sich darüber freut, ist der Verbraucher, der viel Sonnenmilch für wenig Geld sucht.
In dem Ringkampf zwischen Premium Brand und Private Label gewinnen letztere Punkt um Punkt: Einer jüngeren Untersuchung von AC Nielsen zufolge glauben zwei Drittel der Konsumenten in allen großen Märkten, dass die Eigenprodukte der Supermärkte „eine gute Alternative” zu bekannten Herstellermarken sind. Eigenmarken können nicht mehr länger als ein wenig peinliche, arme Verwandte des „wahren” Produkts abgetan werden. Sie sind inzwischen qualitativ nahezu gleichwertig mit Herstellermarken und dabei immer noch deutlich günstiger.
Leider gilt dieses Prinzip inzwischen für fast alle Branchen und nicht mehr wie einst nur für Lebensmittel. Das musste auch Madonna auf ihrer letzten Spanien-Tournee erfahren. Die Frauen im Publikum trugen zu Hunderten dasselbe Kleid wie sie selber. Ob der kapriziöse Star sich mit der Erkenntnis, dass Plagiat das größte aller Komplimente ist über die Schmach hinweg getröstet hat? Bekannt ist nur, dass sie bei einem ihrer ersten Konzerte in einem Fräckchen auftrat, das Zara anschließend massenhaft kopierte.
An der zynischen Kopierwut des Handels verzweifelt offenbar so mancher Hersteller. Soll man mit seinen besten Kunden streiten? Viele lassen sich entnervt darauf ein, exklusiv für eine Handelskette selber ein Warenangebot zu entwickeln. So immerhin erhalten sie sich den Teil des Marktes - wenn auch zu schlechteren Preisen - der für sie völlig verloren wäre, legte der Handel gänzlich in Eigenregie los. Der US-Händler Kohls beispielsweise verkauft Eigenmarken-Kosmetik, die Estée Lauder zuliefert und in den Beinkleindern namens Signature - Walmarts Label für Jeans – steckt eigentlich Levi Strauss.
Ob es einer Premiummarke wie Lauder gut tut, wenn bekannt wird, dass Produkte aus dem selben Haus plötzlich neben den „cheap chic”-Angeboten verramscht werden, bleibt fraglich. Aber was ist die Alternative zur Kooperation? Der Handel macht ja doch, was er will. Was kann der Hersteller also tun? Procter & Gamble klagte schon mehrfach gegen Kopisten, um Marken wie Head & Shoulders oder Old Spice zu schützen. Das Resultat ist kläglich: Allein die Amerikaner geben inzwischen jährlich 7,5 Milliarden Dollar für Drogeriewaren in Handelsmarken aus - zur Jahrtausendwende waren es noch 4,3 Milliarden.
Die ehrenwerten Professoren Nirmalya Kumar (London Business School) und Jan-Benedict Steenkamp (University of North Carolina) schrieben nun ein ganzes Buch über die Privat-Label-Misere. Ihnen fällt dazu allerdings auch nicht mehr ein als den Herstellern ins Stammbuch zu schreiben, sie müssten „brillante Innovatoren sein, effektive Partnerschaften eingehen, die zu schlagenden Schlachten gut auswählen und überlegene Wertversprechungen abgeben“. Im Klartext heißt das: Markenartikler können zweierlei tun: Erstens jede Preisspanne zwischen Handelsmarke und Herstellermarke genau begründen und für den Verbraucher mit Qualitätsüberlegungen nachvollziehbar machen. Da es bei Produkten wie Deo oder Seife aber keine für den Verbraucher nachvollziehbaren Qualitätsunterschiede mehr gibt, können sie – zweitens – ins Image investieren und auf die zugegeben ziemlich naive Vorstellung hoffen, dass viele Leute lieber zu Hause bleiben als sich am Pool mit Sonnenmilch von Schlecker erwischen zu lassen.