Verkrampfte Versuche der Anbiederung

Von Peter Littmann

Einer der erfolgreichsten Integrationsspolitiker der Welt heißt Jeff Valdez, und er hat nur einen Fehler: Er ist gar kein Politiker, sondern der Unternehmer, der in den USA den englischsprachigen Sender SíTV für Leute mit hispanischen Wurzeln gründete. Während die spanischsprachige Konkurrenz mit Telenovelas verzweifelt um Zuschauer kämpft, erreicht SíTV zur Freude der Werbekunden 12,5 Mill. Haushalte. Junge Hispanics sind eben erst mal Teil der MTV-Generation und dann bestenfalls zweitens iberoamerikanisch geprägt. Ethnofolkore interessiert sie nicht, sie wollen nicht als Auswanderer behandelt werden, sondern als eigenständiger, relevanter Teil der USA.


Das erinnert 40 Jahre nach der ersten Einwanderungswelle kolossal an die jungen Türken in Deutschland, nur dass es hier einen solchen Sender nicht gibt. Migranten tauchen hier zu Lande fast immer nur dann in den Medien auf, wenn sie unangenehm auffallen. Der Deutsche integriert nicht gerne, und wenn es denn sein muss, höchstens christliche Italiener.

Das ist borniert und geschäftsschädigend. In Deutschland leben rund 15 Mill. Leute mit nichtdeutschem Pass, einen Migrationshintergrund haben fast 20 Prozent der Bevölkerung. Der Beitrag der Türken zum Bruttosozialprodukt liegt bei 35 Mrd. Euro, ihre Kaufkraft bei 18 Mrd. Euro - das entspricht ungefähr der des Saarlands. Dennoch ist Marketing für Migranten ein weitgehend ignoriertes Thema.

Gemessen am Bevölkerungsanteil müsste die deutsche Wirtschaft eigentlich zehnmal mehr in türkischsprachige Werbung stecken, als sie es derzeit mit rund 20 Mill. Euro tut. Schließlich ist jeder vierte Deutsche über sechzig, aber 60 Prozent der Türken im Lande sind unter 30. Überdies lieben gerade die Türken Markenprodukte. Hinzu kommt ihre Aufgeschlossenheit für Produktinnovationen. Nur bei Lebensmitteln bleiben die Türken den eigenen Produkten treu - was man angesichts von Schweinebauch und Sauerkraut auch verstehen kann.

Der berechtigte Einwand gegen Ethno-Werbung lautet natürlich: Extrawürste für Frauen, Behinderte, Schwule oder Migranten haben immer etwas Diskriminierendes. Das stimmt schon. Verkrampfte Versuche, sich bei einer speziellen Gruppe durch Betonung ihrer Eigenheiten anzubiedern, wirken wie ein Relikt aus der Frühzeit des Gutmenschentums. Die Fluglinie Germanwings nutzte die Beobachtung, dass Türken oft mit viel Gepäck reisen, und startete ein Gewinnspiel: Wer das ungewöhnlichste Gepäckstück bringt, gewinnt Gutscheine und Freiflüge. Richtig nett ist das nicht.

Genauso wenig funktioniert es, einfach deutsche Inhalte zu übersetzen. Wer Muslimen schöne Weihnachten wünscht oder Mobilfunkverträge mit "Kein Schwein ruft mich an!" bewirbt, hat es nicht kapiert. Migranten erwarten zu Recht einen authentischen Auftritt, der ihre Befindlichkeiten berücksichtigt. Es geht weniger um die Frage, ob der Slogan nun deutsch oder türkisch formuliert wird, sondern um ein viel tiefer liegendes Verständnis der anderen Kultur. Ein gelungener Auftritt beherzigt Integration und Diversity gleichzeitig.

Leichter als die deutschen Unternehmen tun sich offenbar Organisationen, deren Herkunft selber ein wenig schwummerig ist. Die HSBC - eine englische Bank mit Wurzeln in China - tritt heute international auf mit dem Slogan "The world's local bank". Die Werbung dazu zeigt den schiefen Turm von Pisa neben dem Torso einer griechischen Statue, unter der einen Abbildung steht "perfect", unter der anderen "imperfect". Einen Meter weiter hängen dieselben Bilder, nur der Text ist vertauscht: Was der eine schön findet, ist für den anderen defekt und umgekehrt. Dasselbe macht die Bank auch mit Sushi und Bratwurst.

Geschmack ist eben individuell. Begriffe wie Heimat, Integration und Globalisierung sind es übrigens auch. Nur ist das hier offenbar vielen noch nicht aufgefallen.

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