Lohas: Lustig ohne Hirn, aber stilsicher

Von Peter Littmann

Nun geistern sie wieder, die Akronyme. Die Yuppies (young urban professionals) der 80er-Jahre haben wir ebenso gut überstanden wie die Dinks (double income, no kids) der 90er. Jetzt werden wir mit den Lohas hoffentlich auch noch fertig.


Lohas - dieses Kürzel steht für "Lifestyle of Health and Sustainability" und meint damit einen Lebensstil und keine Personen. Trotzdem wird die Buchstabensuppe für die Gruppe der "neuen Ökos" verwendet. Aber wer wird denn so kleinlich sein und auf die korrekte Verwendung des Englischen bestehen, schließlich wollen die Lohas die Welt retten. Oder zumindest den Regenwald. Oder das Biotop gleich hinter der nächstgelegenen Autobahn. Aber vor allem wollen sie das eigene Image retten, denn wenn die Lohas eines nicht mögen, dann mit den Müslis der Vergangenheit verwechselt zu werden.

Das heißt: Nix da Strickliesel-Chic und Palästinensertuch. War ja auch alles ziemlich poplig seinerzeit, und Stil ist den Lohas-Anhängern ganz wichtig. Trendsetzend sind ja auch nicht wie einst Che Guevara oder Mutter Theresa, sondern Julia Roberts, Madonna und Jennifer Aniston. Sie alle stehen angeblich auf deutsche Dr.-Hauschka-Kosmetik. Schon ist sie vergessen, die bei denselben Leuten einst so beliebte Frotzelei á la "Ich habe noch nie einen schönen Menschen aus dem Bioladen kommen sehen ..."

Heute sind Stil-Ikonen wie Stella McCartney selbstverständlich Naturschützer. Vor lauter Überzeugung hat sie gleich eine Kosmetiklinie aufgelegt. Edel verpackt, enthält garantiert keine vom Aussterben bedrohten Pflanzen und die Gewissheit: Sieht auch neben edlen Parfumflaschen im Bad gut aus!

Die Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung prognostiziert der Biokosmetik künftig Zuwachsraten von 18 Prozent im Jahr, denn Konsumverzicht ist nicht die Sache des Lohas-Trends. Askese ist aber so was von out!

Der Anspruch lautet vielmehr: Wir machen die Wirtschaft ethisch und sehen dabei auch noch gut aus! Also setzt der Estée-Lauder-Konzern auf die Marke Aveda und das Unternehmen Lancôme stiftet einen Teil seines Erlöses der Organisation Carbonfund, die sich für erneuerbare Energien einsetzt. Werbeträgerin ist Isabella Rosselinis Tochter Elettra. Was ist die von Beruf? Raten Sie mal! Umweltschutz-Aktivistin natürlich.

Im Ernst, den Öko-Chic finden wir natürlich erst mal toll. Gegen sanfte Produktionsweisen ist genauso wenig etwas einzuwenden wie gegen einen fairen Umgang mit der Dritten Welt. Auch freut sich der Marketingmensch über jeden neuen Vermarktungsansatz, und die PR-Experten in aller Welt predigen ja schon seit langem, dass ein gutes Gewissen das Image vieler Unternehmen nur verbessern kann. Die jüngste Vergangenheit beweist: Mit Ökotrips lässt sich gutes Geld verdienen. Green is beautiful - das gilt für die Wiese genauso wie für die Dollar-Note.

Das Problem ist bloß, dass jeder alte Hase in der Außenwirkungsbranche weiß: Auf die Dauer geht's um Glaubwürdigkeit. Und um die steht es leider ähnlich schlecht wie ums Klima.

Erstens sind die ganzen hochpreisigen Ökotrips nur was für Besserverdiener und richten sich daher nur an einen kleinen Teil der Bevölkerung in der Ersten Welt. Solange der größere in der Dritten noch vom eigenen Auto träumt und mit einem solchen möglichst bald Klimagase emittieren will, lässt sich mit Dr.-Hauschka-Kosmetik die Welt nicht retten.

Der Hedonist mag sich mit Ökoklamotten von American Apparel vielleicht über die schlechten Nachrichten vom Zustand des Planeten trösten, die globale Ressourcenverschwendung geht dennoch weiter. Der Umsatz mit organisch produzierten Lebensmitteln mag um 15 bis 20 Prozent im Jahr steigen, die tatsächlich ausgewiesenen Produktionsflächen für Bio-Food wachsen jedoch gleichzeitig lediglich um fünf Prozent.

Was in dem Loch zwischen den beiden Entwicklungen stattfindet, will der grün bewegte Ästhet lieber nicht so genau wissen. Auch was hinten aus dem Jet rauskommt, mit dem er nach Indien ins Fünfsterne-Ashram zum Ayuveda fliegt, ist ebenso von nachrangigem Interesse. Hauptsache, das Bewusstsein bestimmt das Sein.

Irgendwann wird das Ganze kippen, so wie jede Mode. Dass uns danach eine Welle aus Jetzt-erst-recht-Zynismus droht, weil sich Gesinnung noch immer nicht auf Verantwortung reimen will, ist nicht schwer vorherzusagen. Dann werden wir über Lohas witzeln, wie zuvor über die Yuppies. Für was steht das gleich noch? "Lustig ohne Hirn, aber stilsicher!"

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