Kreative Werbung zahlt sich aus

Von Peter Littmann

Es ist Zeit, an dieser Stelle mal allen Dank zu sagen, die Serien-E-Mails verschicken. Auf Grund ihrer nie ermüdenden Bemühungen habe ich aufgehört Coca-Cola zu trinken, weil die Brause so aggressiv ist, dass sie auch als Toilettenreiniger funktioniert; Deos zu benutzen, weil sie Krebs auslösen; und Gummibärchen zu genießen, weil sie aus Tierkadavern hergestellt werden.


Liebe Serienbriefschreiber: Danke für so viel Engagement! Das ist ausnahmsweise mal Ernst gemeint. Der das Internet verstopfende Blödsinn ist erstunken und erlogen, aber er enthält eine wichtige Wahrheit: Menschen lieben und glauben Geschichten. Wer unsere Phantasie beschäftigt, hat unsere Aufmerksamkeit. Bei den genannten urbanen Legenden handelt es sich um Marken schädigende Negativbotschaften mit Gruselfaktor, die wir mit einer Mischung aus Faszination und Ekel lesen. Genauso können uns jedoch auch Geschichten fesseln, die Marken feiern. Imagebildung funktioniert im Guten wie im Schlechten - wenn sie Storys erzählt.

Was gemeint ist, zeigt unter anderem ein Blick ins aktuelle "Jahrbuch der Werbung". Dort ist beispielsweise ein Spot von Renault zu finden: Eine Weißwurst im Crashtest - zerplatzt! Sushi unter Druck - eine Schweinerei. Knäckebrot bröselt. Nur das Baguette prallt federnd zurück. Botschaft: Die Franzosen bauen die sichersten Autos der Welt, sicherere als die Deutschen, Japaner oder Schweden. Spannend auch das "interactive movie", das Audi online stellte, um den neuen R8 zu promoten - hier kann sich jeder Möchtegern-Rennfahrer mal ins Cockpit des Geschosses träumen. Schön war auch die 65 Meter breite Oliver-Kahn-Brücke über Münchens Flughafen-Autobahn, die Adidas aufstellen ließ.

Doch leider ist meist nicht viel mit Märchenstunde. Statt den Erzählern haben oft Erbsenzähler die Lufthoheit auch über Kommunikation und feilschen um Budgets und Mediapläne, bis Reichweite und Tausenderkontakt optimiert sind. Dabei vergessen sie jedoch die entscheidende Frage: Wie viele Millionen Euro versenken wir eigentlich mit dem Einheitsbrei? Die Leute räumen lieber die Spülmaschine aus als sich einen Werbeblock anzutun. Weil die Werbetreibenden wissen, dass die Aufmerksamkeitsspannen stetig sinken, mühen sie sich, uns ihre Botschaft in immer kürzeren, lauteren und penetranteren Bits zu verabreichen. Wir hingegen schalten angesichts des lieblosen Gefummels noch schneller ab, und so dreht sich die Spirale - nach unten.

Aber wie überzeugt man die Zahlenfuzzis im Unternehmen, dass kreative Werbung nicht zwingend teurer ist, auf jeden Fall aber erfolgreicher? Leo Burnett hat vor rund zehn Jahren mal versucht, die Effizienz gut erzählter Werbegeschichten zu beweisen. Der Umsatzerfolg 200 prämierter Spots wurde gemessen, mit dem Ergebnis, dass 86 Prozent nicht nur der Werberszene selber gefielen, sondern auch im Markt erfolgreich waren. Neuere Untersuchungen legen ebenfalls nahe, dass vom ADC ausgezeichnete Kampagnen tendenziell mit dem Markterfolg korrelieren.

Natürlich kann man Verbraucher auch überfordern - mit Auftritten, die so "kreativ" sind, dass der Konsument verwirrt zurückbleibt. Wenn die Logik nicht stimmt, die Erzähltechnik verschachtelt daherkommt oder der Zusammenhang zwischen Plot und Produkt völlig an den Haaren herbeigezogen wirkt, versandet die Kommunikation.

Wenn die Geschichte das Produkt so sehr überschattet, dass wir den Markennamen über der Story sofort wieder vergessen haben, ist das nur in einem einzigen Fall gut: Bei den im Internet verbreiteten urbanen Mythen. Ansonsten gilt: Gut erzählt ist gut verkauft.

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