Von Tastaturen in der Hose und Antennen in der Mütze

Von Peter Littmann

Deutschland leidet. Keine Tageszeitung ohne Liste, was im Land alles nicht recht klappt, erneuerungsbedürftig ist oder gleich auf den Müllhaufen der Geschichte gehört. So manch eine dieser eilfertig diagnostizierten Krankheiten mag eingebildet sein, was jedoch häufig stimmt, ist die Kritik, dass viele Unternehmen an einem Gebrechen leiden, das sich „Overengineering“ nennt. Gemeint sind an sich fantastische Ingenieurleistungen, die der Kunde aber weder will noch braucht. Oftmals haben technische Produkte Features, mit denen die Benutzer gar nicht umgehen können. Wer´s nicht glaubt, sollte sich mal mit seinem neu erworbenen Laptop, Mobiltelefon oder DVD-Player beschäftigen.


Nun droht die nächste Welle technisch getriebener Spielereien – in einem Markt, der fast so alt ist wie die Menschheit: Die nächste Generation Kleidung heißt SFITs oder Smart Fabrics and Interactive Textiles. Dahinter verbergen sich Materialien, die dank Technologie leitfähig werden oder Sensoren enthalten. Das Ergebnis kann man sich als Unterhaltungselektronik zum Anziehen vorstellen: Also iPod im T-Shirt und Spielekonsole in der Jacke. Ein Unternehmen ist angeblich sogar dabei, für Microsoft flexible Computertastaturen zu entwickeln. Damit kann man sich dann im wahrsten Sinne des Wortes auf seinen Hosenboden setzen, um zu arbeiten. Gerade entstehen Anzüge mit Solarzellen, die ein Handy wiederaufladen oder Jogginghosen, die von alleine leuchten, damit der nachts alleine Trainierende nicht verloren geht. Unterwäsche gibt Aloe Vera an die Haut ab, Jacken lassen sich aufblasen, um ihre isolierende Funktion ans gerade herrschende Klima anzupassen. Hemden, die als Mobilfunkantennen funktionieren, sind schon in der Experimentalphase. Witzigerweise werden gleichzeitig Stoffe entwickelt, die dank Metallfaser-Beimischungen vor Elektrosmog und Funkwellen schützen sollen.
Wo Ideen auftauchen, sind bei uns die Kritiker nicht weit. So auch in diesem Fall. Nicht ganz zu unrecht bemängeln viele, die Produkte seien zu verspielt, die Killerapplikation fehle. Was den Forschungsleiter begeistert, macht den Marketingchef noch lange nicht glücklich und in der Tat fragt man sich nach der Relevanz für die Konsumentenmärkte, wenn eine Jacke mit integriertem MP3 und Mobiltelefon 1000 Euro kostet. Außerdem muss vor dem Waschen jedes mal die ganze Technik rausgepörkelt werden. Die meisten Verbraucher hätten lieber endlich ein wirklich bügelfreies Hemd und überzeugend schmutz abweisende Wolle für die Hosen. Die tragbaren Gimmicks erinnern ein wenig an eine große Nation, die den Mars anfliegt bevor sie vernünftigen Nahverkehr organisiert.
Also alles Quatsch? Kommt drauf an. Der Markt für die bevorstehende Ehe von Mode und Medien wird derzeit auf eine Milliarde Dollar geschätzt. Potenzial genug, damit sich derzeit 16 Forschungseinrichtungen mit der Entwicklung von intelligenten Textilien beschäftigen. Das ist gut, denn zunehmend verdirbt Billigkleidung aus Asien den westlichen Herstellern die Masche. In Sachen Preis ist mit den Chinesen nicht zu konkurrieren, wohl aber in Fragen von Design und Innovation. Noch.
Wie in so vielen Branchen gilt auch für die Bekleidungsindustrie: Gute Ideen dringend gesucht! Insofern ist die SFITs-Welle eine Chance - wenn denn Anwendungen entstehen, die dem Verbraucher einleuchten. Die Ausländer machen es vor: Textronics, eine Abspaltung des Chemieunternehmens Dupont, stellt einen Sport-BH her, der Daten an einen am Handgelenk getragenen Monitor sendet zur Kontrolle der Herzrate, allerdings nur solange er an bleibt. Der Londoner Hersteller CuteCircuit hat das „Hug Shirt“ entwickelt – wenn sein Träger sich selbst umarmt, werden Puls und Temperatur gemessen und über Mobilfunk an einen Computer beim Hausarzt versendet. Babywäsche, die Vitalsignale kontrolliert, beugt plötzlichem Kindstod vor und hilft Eltern, ruhiger zu schlafen. Hemden aus Garnen, die vor UV-Strahlen schützen, erscheinen angesichts wachsender Ozonlöcher durchaus sinnvoll.
Also immer her mit den intelligenten Fasern. Als seinerzeit Goretex und Fleece aufkamen, waren die Menschen ja auch schnell überzeugt. Was wir allerdings nicht brauchen, sind aufblasbare Jacken, Tastaturen in der Hose oder Antennen in der Mütze. Wir wollen weder wie das Michelinmännchen aussehen noch wie ein verirrter Astronaut.

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