Auch eine Zündkerze kann Charisma haben
Amerikas Technologie-Industrie hat so was Schönes wie einen Chief Marketing Officer Council. Diese Leute beschäftigen sich immer mal wieder mit der Frage, was so los ist in Sachen Branding bei den Techno-Herstellern. Die Ergebnisse sind interessant, wenn sie auch nicht fröhlich stimmen: Markenwert ist ein Bereich, über den sich die Management-Informationssysteme der meisten Unternehmen ausschweigen. Soll heißen: Das Seniormanagement vieler Firmen kriegt zwar mit, wie die Umsatzkurve in Kirgisien verläuft, aber nicht, was die eigene Marke so macht.
Der Hintergrund der Enthaltsamkeit ist vielschichtig. Erstens: Nach dem Platzen der Dotcom-Blase verschwanden nicht nur die Profite, sondern auch viele Markenstrategien sang- und klanglos unterhalb der Wahrnehmbarkeitslinie. Viele Unternehmen hatten vermeintlich dringlichere Sorgen als Branding.
Zweitens lässt sich der Erfolg von Marketingmaßnahmen nur schwer ausrechnen. Gerade in Betrieben, in denen Ingenieure das Sagen haben, kriegt aber nur das, was auch gemessen werden kann, Budget und Bedeutung.
Drittens zeigen Umfragen unter den Techies - auch unter denen mit verantwortungsvollen Jobs -, dass unter "Marke" häufig einfach nur das Logo verstanden wird oder die gerade laufende Produktkampagne. Und viertens hängt das eine mit dem anderen zusammen: Wenn man vorne das Konzept der Differenzierung durch das Markenversprechen nicht kapiert, kann man hinten auch nicht richtig messen, was Maßnahmen bringen.
Natürlich gibt es auch Investitionsgüter- und High-Tech-Hersteller, die wissen, was sie tun - auffällig in den vergangenen Jahren waren beispielsweise die Schritte zur Markenwertsteigerung von IBM oder General Electric. Sogar Produzenten von Vorprodukten wie Chiphersteller Intel oder Teflon- und Lycra-Erfinder Du Pont schafften es, Marken aufzubauen, obwohl ihre Waren den Endverbraucher nur indirekt erreichen.
Warum geben die dafür so viel Geld aus? Angeblich sind die Kauf- akte von Investitionsgütern - wie im gesamten Geschäftskunden-Bereich - doch hoch rational, geht es doch vor allem um die technische Spezifikation der Ware. Nun, auch diese Käufe sind nur so rational wie der Ingenieursmensch, der sie tätigt, und insofern anfällig für die emotionalen Aspekte einer Marke wie Vertrauen und Image. Wenn dann noch Zeitdruck, Informationsdefizite und komplexe Ansprüche zusammenkommen, wird der alte Spruch wieder lebendig: "Nobody ever got fired for buying IBM."
Befragt man Ingenieure, die mit betriebswirtschaftlichen Aufgaben im Einkauf betraut sind, wird tatsächlich betont, wie wichtig der "gute Ruf" der Zulieferer ist. Schließlich versprechen heute alle, das Richtige zum bestimmten Zeitpunkt zu liefern - also entscheiden oft nur die Marke und das Image, ob der Kunde wirklich glaubt, dass ein Anbieter Teil der Lösung ist oder nur ein neues Problem.
Lange Rede, kurzer Sinn: Auch im Industriegüterbereich ist Markenpflege angesagt, und wer meint, dass ein technisches Produkt kein Charisma entwickeln kann, sollte mal genauer hinschauen. Man denke nur an Logos wie Dell, Shimano oder den Armaturenhersteller Dornbracht.
Dennoch halten viele Investitionsgüterhersteller den Versand von Preislisten schon für Werbung, Werbung für Marketing und Marketing für Markenführung. Nehmen wir die Autoindustrie - dort prangen BMW, Porsche oder VW auf der Motorhaube, obwohl die Hersteller ihre Autos heute nur noch zu rund 35 Prozent selber bauen. Und die Marken ihrer Lieferanten? Von wenigen Ausnahmen wie Blaupunkt, Bose oder Recaro mal abgesehen, finden die Zulieferer markentechnisch nicht statt. Wo bleiben die Boschs und Valeos dieser Welt?
Die Anonymität der Zulieferer, die auf die Möglichkeiten des Co-Branding verzichten müssen, weil sie ihre Marke nicht konsequent pflegen, schwächt ihre Position gegenüber den Automobil-Herstellern deutlich, wie die heftigen Preiskämpfe der vergangenen Jahre zeigten. Da kann ein Zulieferer dann Technologieführer sein, solange er will - ohne Marke ist er letztlich austauschbar.