Potenzmittel aus dem Internet

Von Peter Littmann

Irgendwer macht sich nachhaltig Sorgen um mein Liebesleben. Seit Jahr und Tag finden sich Aufforderungen zu einer Penisverlängerung in der Mailbox. Wenn es nicht diese Mail ist, die täglich grüßt wie das Murmeltier, ist es der Hinweis auf eine Online-Apotheke, die mit rezeptfreien Potenzmitteln droht.


Natürlich gibt es Spamfilter und Pop-up-Blocker, aber werden die zu scharf gestellt, landen auch erwünschte News im Lokus. Das Ergebnis ist umso ärgerlicher: Nun muss nicht nur der Posteingang täglich auf Abfall untersucht, sondern auch die Mülltonne nach Brauchbarem gefilzt werden.

Das ist offenbar nicht nur mein Problem. In entsprechenden Fachpublikationen steht, dass die Werbeflut via E-Mail die Datennetze der Unternehmen blockiert und EU-weit jährlich Arbeitszeit im Wert von ein paar Milliarden Euro zerstört. Das Hochrüsten der entsprechenden Firewalls kostet weiteres Geld und führt dazu, dass auch etwa 15 Prozent der seriösen Mails in Filtern hängen bleiben.

Spam ist natürlich nicht legal, seit Juni 2004 verbietet das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb die unaufgeforderte Sendung lästiger elektronischer Post. Doch Einzelpersonen können sich gegen den Empfang unerwünschter Botschaften nur schwer juristisch wehren, das Gesetz gibt eigentlich nur Unternehmen, Verbraucherverbänden und Handelskammern ein Gegenmittel in die Hand. Dem Individuum bleibt folglich nur der Griff zur neuesten Version an Killersoftware.

Die Folge ist ein Wettrüsten, das an den Kalten Krieg gemahnt. Die Spammer fügen echt klingende Namen in die Betreffzeilen ein oder machen absichtlich Schreibfehler, um die Filter auszutricksen. So erreichen uns immer wieder gefälschte Schreiben angeblicher Banken, die uns auffordern, bei einer bestimmten Adresse einzuloggen und finanziell die Hosen runterzulassen. Dann gibt es da noch den Anwalt aus Lagos, der uns tatsächlich drei Millionen Pfund zukommen lassen will, weil unser Onkel Henry in Nigeria gestorben ist - wenn wir vorher nur bitte noch eben die Notariatskosten von 30 000 Euro auf folgendes Konto überweisen wollen . . . Dafür kommen neuerdings ernst gemeinte Out-of-Office-Replays nicht mehr an - die Spamfilter fressen sie auf.

Kurz und gut: Werbung per E-Mail an irgendwelche Verteiler zu verschicken ist heute ein No-No, werden doch seriöse Absender zu schnell in einen Topf mit Spammern geworfen. Wer's nicht glauben mag, frage die Pfizer-Leute, was die von Werbemails für ihre blauen Pillen halten. Was hingegen gut zu funktionieren scheint, sind gut gemachte Gratis-Newsletter, die Interessierte auf der Homepage der Unternehmen selber anfordern.

Insbesondere die amerikanische Modebranche ist in diesem Bereich aktiv und erstaunlich erfolgreich. Zum Wintereinbruch im November beispielsweise verschickte die J. Crew Group einen Newsletter zum Thema Wintermäntel, und der Modehersteller Gap informierte über die neueste Strickwarenmode. Prada alarmiert regelmäßig Kundinnen, wenn in den Shops vor Ort neue Ware eintrifft. Nordstrom reagiert in freundlich personalisierten Angeboten auf online getätigte Einkäufe - wer gerne ein bestimmtes Label kauft, bekommt in "seinem" Newsletter automatisch Angebote rund um diese Kollektion. Das US-Nobelkaufhaus Neiman Marcus kommuniziert mit seiner Million Newsletter-Abonnenten fast täglich. Kundenspezifisch wird mit neuen Angeboten auf getätigte Käufe oder angeklickte Produktgruppen reagiert. Gap bedient neun verschiedene Konsumentengruppen zweimal pro Woche mit Informationen - und lernt an den Reaktionen stets dazu, wer mit was am besten anzusprechen ist.

In der Folge ist für viele Modehändler und auch Hersteller in den USA der Onlinevertrieb eines der am schnellsten wachsenden Segmente. Insgesamt sah der Markt im Jahr 2005 ein Plus von 23 Prozent an im Netz verkaufter Mode, das Luxuswarenhaus Neiman Marcus machte hier im abgelaufenen Geschäftsjahr sogar ein Plus von 46 Prozent. Offenbar kann das Internet tatsächlich die Potenz bestimmter Dinge fördern - bloß nicht so, wie sich das die Spam-Nervensägen vorstellen.

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