"Deep Blue" lässt Weintrinker blau anlaufen

Von Peter Littmann

Wer nicht ganz blöd ist, wird immer auf "Wein, Weib und Gesang" setzen statt auf "Bier, Männer und Gebrüll". Von jeher war Wein entweder ein in den herrlichen Anbaugebieten getrunkenes Lebensmittel, das zu allen Mahlzeiten so selbstverständlich auf dem Tisch erschien wie die Laus auf der Rebe, oder aber ein Produkt für urbane Eliten, die gerne stundenlang über Bouquet, Volumen und Aromen schwadronierten. Unter Bauern (wo häufig die besseren Tröpfchen genossen wurden!) galt vor allem Trinkfestigkeit als Tugend, unter Städtern musste man zumindest verbal zwischen Barrique und Brikett unterscheiden können.


Diese Zeiten sind vorbei. Wein hat sowohl seine Unschuld als auch seine Aura verloren: Heute ist - wenn wir von dem kleinen Segment der Pfalz- und Badentropfen mal absehen - Bacchus-Wonne Massenware. Dazu muss er billig sein: Der Deutsche zahlt statistisch keine drei Euro für den Liter Wein, den er am liebsten beim Discounter holt. Außerdem sollte er in einer hübschen Flasche daherkommen und so sinnlich und so anspruchslos sein, dass er auch Menschen überzeugt, deren Geschmacksnerven im Wesentlichen vom Coca-Cola-Konzern trainiert worden sind.

Herrschaften dieser Art sind mit Künstleretiketten noch zu beeindrucken und mit kreativen Namen. Deswegen nennt sich ein österreichischer Roter heute schon mal "Excalibur", ein deutscher Riesling "unplugged" und ein Burgunder vom Neusiedlersee "S.EX". Das steht selbstredend für "sehr extrem" und meint die Güte des Tropfens.

Kurz: Der Charakter eines Weins wird heute häufig mehr von Marktforschern bestimmt, als von Böden, Wind und Wetter. Wein ist inzwischen trinkbarer Lifestyle, für jede Rebsorte gibt es ein eigenes Glas, für jede Zielgruppe ein Marketingkonzept, für jede Region ein idiotensicheres Buch und für jedes halbwegs namhafte Gesöff Punkte von Robert Parker.

Wer gerade eine dieser grässlichen Dinnerpartys bei geschwätzigen Gastgebern hinter sich hat - "dieser Sauvignon schmeckt so wunderbar grasig" - wird die gegenwärtige Entzauberung des Rebsaftes sehr zu schätzen wissen. Schließlich hocken all diese Pseudo-Weinkenner jetzt auf zu teuer eingekauftem Bordeaux und wundern sich, dass die einst prognostizierte Preisentwicklung nicht eingetreten ist. Da hilft nur eins: Kummer im Suff ersäufen. In diesen Kreisen tat Entspannung in Sachen Wein sowieso dringend Not.

Andererseits ist es zum Heulen. Es gibt Produkte, denen nichts Schlimmeres passieren kann als Hochtechnologie und schlechtes Marketing - in dieser Reihenfolge. Dazu zählen eigentlich alle Lebensmittel und natürlich Wein.

In Europa sind sie zum Glück (noch) verboten, aber anderswo gibt es sie schon: heizbare Zentrifugen, die dem Wein Alkohol und Aromen entziehen. Die dabei entstehenden Stoffe Restwein, Aromagemisch und Alkoholbrühe können beliebig wieder gemischt werden. So werden je nach Nachfrage "Designerweine" in den beliebten Geschmacksrichtungen Schokoladensoße, Brombeer oder Vanille gekeltert, aber ohne Herkunftscharakter oder Persönlichkeit.

Barrique kommt inzwischen mittels gerösteter Holzchips ins Stahlfass, dem Most wird das Wasser entzogen, damit auch aus einem verhagelten Säftchen schwerer Wein wird. Auf Großgütern entscheidet heute nicht mehr ein Fachmann und jahrhundertealtes Wissen, wann gedüngt oder geschnitten wird, sondern ein satellitengestütztes System von Infrarotkameras.

Das Ergebnis ist Chateau Misère. Oder andersherum: Den von den Franzosen vergebenen Preis für den besten ausländischen Wein erhielt gerade ein Moselwinzer, der wütende Tiraden gegen die "Frankenstein-Weine" hält und selber lieber auf die wilden Hefen aus eigenem Keller zur Gärung setzt als auf die handelsüblichen Reinzuchthefen.

Wein-Marketing? Da stellt ein Winzer von der Nahe seinen Wein mit einem dunkelblauen Etikett ohne Beschriftung ins Regal. Das Zeug heißt "Deep Blue" - wie der Film über die Tiefseetaucher. Sehr originell. Ein Weintrinker aus Leidenschaft läuft da erst mal selber blau an. Bitte nicht, Ihr Winzer, bitte kein solches "Marketing". Macht einfach ordentlichen Wein, wir kaufen den dann schon. Auch so.

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