Lieber Profis statt Promis

Von Peter Littmann

Was weiß Jennifer Lopez über Stoffqualitäten und korrekt sitzende Abnäher? Vermutlich gar nichts, aber angeblich macht die schöne J-Lo neben Musik, Filmen und Parfums auch eine eigene Kleiderlinie für Frauen mit Kurven. Was ahnt der Schauspieler Till Schweiger von Lederverarbeitung und Materialentwicklung? Nun, offenbar genug, um eine eigene Schuhkollektion anzubieten. Hat Meisterkicker David Beckham schon mal eine Textilfabrik von innen gesehen? Zweifelhaft, aber bei Adidas trägt eine ganze Lifestyle-Kollektion seinen Namen.


Heute kann offenbar jeder als Designer reüssieren, vorausgesetzt, er oder sie ist bereits wegen irgendetwas anderem bekannt. Offenbar geht es nicht nur mit der Textilindustrie bergab, sondern auch mit der Selbstachtung der Promis. Früher gab ein echter Star nur ungern preis, welche Designer er bevorzugt, heute nutzt jedes Starlet von der Qualität einer Paris Hilton ihr bisschen Pseudobekanntheit, um selber eine Schmucklinie zu gestalten, die dann bei Amazon.com oder im Verkaufsfernsehen verscherbelt wird.

"Das Radio und Chanel No. 5", antwortete einst Marilyn Monroe auf die Frage, was sie zu einer bestimmten Gelegenheit anhatte. Vor so viel Anmut kann man nur demütig das Haupt neigen.

Heute bewerben Leute wie Kylie Minogue ihre Wäschelinie "Love Kylie" mit suggestiven Bildern. Über einem Foto des Popstars, das ihn in einem winzigen, angeblich selbst entworfenen Rüschenbikini zeigt, stand in England zu lesen: "Get into Kylie’s knickers!" Was getrost mit "Komm in Kylies Höschen" übersetzt werden kann. Inhaltlich sagt sie selber über ihre Arbeit, sie habe "die schönsten Dessous verschiedener Designer zusammengetragen." Wie originell!

Die angeblich schneidernden Stars und Sternchen kann man ja noch verstehen, wenn sie die kurze Zeit ihres Ruhmes nutzen, um möglichst viel Geld zu machen. Denn Sport- und Bekleidungslabels zahlen gut für das Recht, einen bekannten Namen in die Etiketten sticken zu dürfen.

Aber wer soll dieses Zeug auf die Dauer kaufen? Entweder hat der Star seine Produkte nicht selber entworfen, dann mögen sie zwar qualitativ okay sein, bleiben aber Fakes, denn in Wirklichkeit hat die Linie irgendein anonymer Designer entwickelt. Oder aber der Star hat wirklich Hand angelegt – dann ist das Ergebnis in der Regel minderwertig und mühevoll von helfenden Händen zurechtgefummelt. Denn Profis gehen nicht umsonst jahrelang in die Schule, um genug über Material, Design, Schnitt und Fabrikationstechniken zu lernen, um wirklich tragbare Mode entwickeln und fabrizieren zu können. Kein Popstar kann das einfach so. Mittelfristig muss so ein Pseudo-Design die Kunden enttäuschen. Die sind dann allerdings nicht sauer auf ihren Lieblingsstar, denn der ist ihnen heilig, sondern auf die dahinter stehende Industrie.

Der Handel ahnt das und handelt oft entsprechend. Der New Yorker Shoppingtempel Barneys hat den Vertrieb von J-Lo’s Produkten abgelehnt: "Sie mag ja viel Wirbel verursachen, aber die Produkte müssen gut sein. Die Verbraucher sind zu informiert für so etwas." Und Robert Burke, Modedirektor beim Nobelkaufhaus Bergdorf Goodman, sagt: "Unsere Kunden können genau unterscheiden, und wenn etwas nicht gut genug ist, wird es nicht akzeptiert, ob das nun ein Rapper gemacht hat oder wer auch immer."

All die Hersteller, die auf all dieses Promi-Getrommel einsteigen, versteht Burke nicht: "Ich halte es für ziemlich peinlich, wenn die Modeindustrie so auf Prominente setzt." Damit hat er Recht. Es wirkt schon ein wenig anbiedernd, wenn der Rapper P. Diddy alias Puff Daddy für seine Marke Sean John den Preis "Herren-Designer des Jahres" zuerkannt bekommt.

Denn Hersteller, die eigene Ideen haben, können auf geliehenen Ruhm gut verzichten. Intelligente Modehäuser haben selber Designstars aufgebaut und vermarktet. Wo sich früher Gurus vom Schlage Coco Chanels, Yves St. Laurents oder Gianni Versaces noch selber erfinden mussten, entstehen Stardesigner heute innerhalb bestehender großer Marken. John Galliano bei Christian Dior, Tom Ford bei Gucci, Stella McCartney bei Chloé.

Gute Designer haben eben immer Starqualität. Nicht umgedreht.

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