Geliebte Heimat

Von Peter Littmann

Vorweg sei deutlich gesagt: Subventionen für erfolglose Autohersteller, altersschwache Stahlwerke oder technologische Wolkenkuckucksheime sind ökonomischer Schwachsinn. Auch an der Globalisierung führt kein Weg vorbei: Man darf sich nicht einerseits freuen, wenn ein deutsches Unternehmen einen ausländischen Konkurrenten kauft und andererseits Entrüstung spielen, wenn Vodafone Mannesmann übernimmt. Regierungen tun gut daran, ihre nationalen Champions nicht vor dem Weltmarkt zu "beschützen" – denn der Schutz vor Konkurrenz zerstört sie am Ende unausweichlich.


Und doch, es gibt gute Gründe, warum Glenmorangie Whisky besser schottisch bliebe, statt unter das französische Management von LVMH zu geraten, und warum es durchaus sinnvoll ist, dass Volkswagen von deutscher Hand geführt wird. Es gibt Marken, die haben eine Nationalität. Ihre Herkunft steht für ihren Wesenskern, ihr Image, ihre Glaubwürdigkeit. Dazu gehört zum Beispiel "Made in Germany" für Autos der Premiumklasse oder "Hecho en España" für Rioja.

Wer Marken und Produkten ihre Authentizität nimmt, macht sie kaputt. Auch deswegen erkämpften norditalienische Senner vor dem europäischen Gerichtshof, dass "Parmesan" nur Käse heißen darf, der tatsächlich aus Parma kommt. Der Verband der französischen Champagnerhersteller mischte sich deswegen sogar in die Verhandlungen der Welthandelsorganisation ein und geht rigoros gegen Kopierer vor. Die italienischen Branchenverbände für Schuhe, Lederwaren, Brillen, Möbel und Mode baten sogar ihren Ministerpräsidenten Berlusconi, in Brüssel auf eine Etikettierungspflicht für Produkte aus Nicht-EU-Ländern hinzuwirken. Paolo Zegna, Chef des Modeverbandes Sistema Moda Italia: "Andernfalls geht es zu wie auf einem Fußballfeld, wo nur eine der beiden Mannschaften auch die Hände benutzen darf." Das ist natürlich die Stimme eines Betroffenen.

Nüchtern betrachtet, kommt keiner mehr an der Tatsache vorbei, dass die Verlagerung der Produktion in Niedriglohnländer für viele westliche Firmen inzwischen eine betriebswirtschaftliche Notwendigkeit geworden ist, die auch Wachstum und Arbeitsplätze zu Hause sichert. Die billigsten Fabriken stehen in China, und der frühere Schuhweltmeister Italien ist heute der größte Importeur von Schuhkomponenten aus Osteuropa. Inzwischen ist auch das Qualitätsniveau der Produktion in vielen asiatischen und osteuropäischen Ländern deutlich gestiegen, und nun fragen sich auch Manager, die sich bisher auf das Können heimischer Mitarbeiter verließen, wie lange sie die mögliche Ersparnis durch Outsourcing noch ignorieren können.

Dennoch: Es ist für viele Marken überlebenswichtig, dass zumindest Firmensitz, Management, Design- und Forschungsabteilung sowie das Marketing im Herkunftsland bleiben. Armani, Versace und Prada leben nun mal vom italienischen Flair, und vernünftige Uhren kommen einfach aus der Schweiz. Auf die Dauer lassen sich Konsumenten nicht betrügen. Italienische Schuhe, bei denen nur noch der Name aus Italien stammt, weil sie gänzlich in China entworfen und hergestellt wurden, sind keine italienischen Schuhe mehr.

Natürlich sind Produktionskosten ein wichtiger Faktor. Aber die kann man oft auch drücken, ohne die Arbeit nach Fernost zu verlagern. So ist es Gucci gelungen, den Output an Lederwaren bei niedrigeren Kosten zu verfünffachen, ohne an Qualität einzubüßen. Qualität zu vernünftigen Preisen ist nicht nur in China möglich. Um sie im alten Europa zu verwirklichen, muss das Management allerdings deutlich mehr Hirnschmalz verwenden.

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