Irischer Mist

Von Peter Littmann

Die Welt wird immer langweiliger. Immer uniformer. Reisende, die europäische, amerikanische oder asiatische Städte besuchen, können dies bestätigen. Das geht am Zielflughafen schon los: Dieselben Autovermieter überall, die weltweit einheitliche Autos vermieten, für deren Nutzung alle mit den gleichen Kreditkarten bezahlen. Im Hotel angekommen, sucht der Portier nach der Reservierung in einem Computer, den wir auch schon mal gesehen haben. Wer auf diesen Schock der angewandten Globalisierung hin einen Drink braucht und an die Hotelbar flüchtet, findet dort von Norwegen bis Neu Guinea Coca-Cola, Heineken, Jack Daniel's, Courvoisier und Bailey's ...

Was den Touristen langweilt, ist für die Unternehmen eine große Herausforderung. Wer es versäumt, über fremde Märkte nachzudenken, muss damit rechnen, dass demnächst ein anderes Unternehmen in seinen Heimatmarkt einbricht und beginnt, Marktanteil und Marge zu fressen. In fast allen Branchen war Globalisierung das Schlagwort der vergangenen Dekade, denn ihre Größenvorteile sind bekanntlich vielfältig. Doch offensichtlich ist es einfacher, Logistik oder Produktion zu internationalisieren, als einer Marke zum globalen Auftritt zu verhelfen.

Der Albtraum der Marketingmanager läuft ungefähr ab wie folgt: Der Vorstand beschließt die globale Marke, und die Marketingabteilung der Zentrale gibt den Vertriebsniederlassungen in den einzelnen Weltregionen dazu Regeln vor. Oft zusammengefasst in einem Markenbuch, das genau vorschreibt, wie Werbekampagnen, Verkaufshilfen und Verpackungen auszusehen haben. Die Länderverantwortlichen suchen sich davon zunächst aus, was ihnen sinnvoll erscheint und in den Kram passt.

Wenn die Zentrale dann auf Einheitlichkeit pocht, weil das Kosten und Zeit spart (womit sie theoretisch Recht hat), protestieren die Regionen: "Aber unser Markt ist ganz anders" (was praktisch ebenfalls richtig ist). Denn schon der Versuch, eine Werbekampagne Kosten sparend und länderübergreifend einzusetzen, kann sehr lustig werden, wie das Beispiel des Autoherstellers zeigt, der sich wunderte, dass ein Modell "Nova" in Lateinamerika gar nicht lief. "No va" heißt auf Spanisch "Geht nicht". Und in Deutschland kann man keinen Whisky mit dem Namen "Irish Mist" verkaufen.

Doch mal ganz abgesehen von sprachlichen Tücken, wenn "Marke" bedeutet, ein bestimmtes Konzept aus Botschaften und Wertvorstellungen zu vermitteln, muss "globale Marke" bedeuten, dass es in nahezu jedem Markt der Erde eine ausreichend große Konsumentengruppe gibt, zu deren Lebensstil die Marke passt. Viele Unternehmen, die sich ein globales Branding wünschen, betrachten jedoch nur das vermeintliche Potenzial ihrer vorhandenen Produkte und Logos, statt zunächst einmal ihre Kundenstruktur unter internationalem Aspekt zu analysieren. Das ist auch nicht einfach, denn Konsumentenstudien werden in der Regel lokal erstellt, mit unterschiedlichem Fokus. Will die Zentrale diese Informationen konsolidieren, erhält sie Mengen an nicht vergleichbaren Daten.

Bevor an globales Branding auch nur zu denken ist, muss dieses Gewirr ersetzt werden durch einen neuen Prozess der Markenentwicklung, ein einheitliches Kunden-Research und eine klare Definition der Aufgaben der Marketingabteilungen in der Zentrale und vor Ort. Das ist nicht einfach, oben und unten menschelt es kräftig.

Denn so banal das klingt: Globalisierung bedeutet immer auch Regionalisierung, wie das Beispiel der Bon-Ponce-Bank beweist. In den 80er-Jahren begann das puertoricanische Institut, den nordamerikanischen Markt anzugreifen. Zunächst ohne jeden Erfolg gegen die US-Banken. Bis sich die angelsächsisch geprägten Bankhäuser aus den hispanischen Nachbarschaften zurückzogen, weil sie dort keine Profite sahen. Bon Ponce nutzte die Lücke. Die Bank verstand Kultur und Spargewohnheiten dieser Kunden und etablierte sich als führende Bank für die hispanische Gemeinde in den USA.

Auch wenn Weltenbummler heute die Lust am Reisen verlieren, weil die Menschen überall dieselben Jeans und Turnschuhe tragen, gilt für die meisten Unternehmen: Der Aufbau globaler Brands lohnt sehr. Das der Preis die Uniformität ist, stört nur am Rande. Kultur und Wirtschaft rechnen eben in zwei verschiedenen Währungen.

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