Was Sporthelden wirklich wert sind
In der English Premier League bietet Chelsea rund 46 Millionen Euro für Franck Ribéry, der selber jedoch lieber nach Spanien wechseln würde – während sein Verein Bayern München findet, er sei mindestens so viel wert wie Christiano Ronaldo, der für ungefähr das Doppelte von Manchester United zu Real Madrid abwanderte.
Dort ist seine Trittfestigkeit nun für 63 Millionen Euro versichert. Pro Bein. Die Bietersaison läuft noch bis Ende August und dieses Jahr sind offensichtlich nicht nur die Politiker, sondern auch die Fußballmanager durchgeknallt. Stimuluspakete für gigantische Summen sollen das Wachstum anheizen - hier im Büro und da im Trikot.
Doch kann der Fußball weiterhin der Schwerkraft trotzen, während im Rest der Wirtschaft die Knochen brechen und die Sehnen reißen? Er kann. In allen anderen Branchen landen inkompetent geführte Betriebe, die sich übernehmen, irgendwann im Konkurs. In der Folge sind laut Creditreform nur knapp 1,4 Prozent der Unternehmen älter als 100 Jahre, ihre Durchschnittslebenszeit schätzt die Wirtschaftsauskunftei auf nur 18 Jahre. Nicht so im Fußball. Von den 88 Clubs, die vor 75 Jahren die English Football League bildeten, existieren noch 97 Prozent – die meisten sogar noch in derselben Division wie anno dunnemals.
Mit 147 Jahren der älteste Club ist übrigens Notts County in der vierten Liga, ihn hat unlängst ein arabischer Geschäftsmann gekauft. Seine Kollegen von der Abu Dhabi United Group, die vor zwölf Monaten Manchester City übernahmen und ihn zum reichsten Club der Welt machten, lösten die Kauforgie unter den Fußballclubs überhaupt erst aus. City selber hat inzwischen 280 Millionen Euro für neue Spieler auf den Kopf gehauen.
Ungefähr so viel klinkte auch Real Madrid aus – und da die Spanier selber keine Scheichs im Rücken haben, wäre der Club auch längst pleite, hätte nicht die Stadt Madrid ihre Leidenschaft für ein Grundstück im Besitz des Vereins entdeckt. Die Stadtväter bezahlten dafür einen großzügig veranschlagten Preis von 440 Millionen Euro. Dass die spanische Metropole künftig ganz in „Real Madrid“ umgetauft wird, ist allerdings nur ein Gerücht.
Sind die Jungs das wert? Die Meinungen dazu gehen auseinander, wie wir in den vergangenen Wochen der in dieser Frage ungewohnt ambitionierten Presse entnommen haben. Erhellender ist vielleicht ein Lokaltermin: Vor dem Megastore von ManU in Manchesters Old Trafford stehen drei buddhistische Mönche, die bis auf „Burma!“ kein einziges Wort Englisch beherrschen. Sagt man „Rooney!“ lächeln sie und nicken, ebenso, wenn die Namen „Giggs“ oder „Vidic“ fallen. Bei „Ronaldo“ jedoch kennt die Begeisterung kaum noch Grenzen. Der Verein sollte eigentlich „Manchester United Nations“ heißen. Drinnen, im Merchandizing-Tempel der „Big Red Machine“ verkaufen sich Ronaldo-Pyjamas für 9.99 Pfund, die DVD „The Boy Who Had a Dream“ für 17.99 Pfund und Lichtenstein-artige Drucke mit seinem Konterfei für 99.99 Pfund wie kaltes Bier an diesen warmen Tagen. Und nicht nur da – das Zeug läuft auf der ganzen Welt.
Ähnliche Szenen spielen jetzt auch in Madrid, wo schon die völlig ballfreie Ankunft von Ronaldo von 75 000 Menschen gefeiert wurde. Angeblich sind bereits 5000 Trikots mit seinem Namen und der Nummer neun vorbestellt – zum Stückpreis von 80 Euro. David Beckham hat seinerzeit 300 000 Hemdchen verkauft, Ronaldo soll das toppen, noch in dieser Saison. Ist Franck Ribéry in dieser Welt des Hardcore-Marketings also auch 94 Millionen Euro wert wie der kickende Kollege aus Portugal? Ist denn scho' Weihnachten? Franz Beckenbauer findet das sehr wohl, aber für diese Meinung wird er als Bayern-Maskottchen schließlich auch bezahlt.
Die Frage nach Ribérys Gewicht in Gold wird keineswegs nur auf dem Fußballfeld entschieden, sondern vor allem auch in den Merchandizing-Stores Asiens. Doch gibt es überhaupt einen Ribery-Pyjama oder eine DVD-Dokusoap über sein Leben? Es findet sich ein Kaffeebecher für 9,99 und ein Spielerposter für sechs Euro. Sein Champions-League-Trikot für 64,95 Euro immerhin ist unter den Bayern-Bestsellern. Ronaldos Filmstar-Look hat er aber nicht - und vermutlich auch nicht dessen weltbekannten Narzissmus. Das mag sympathisch sein, doch nach den Gesetzen des Show-Geschäft-Marketings sieht ein 94-Millionen-Gewinner anders aus.