Der Kunde ist zufrieden, aber nur fünf Minuten lang

Von Peter Littmann

Was fällt uns ein, wenn wir das Wort Zufriedenheit hören? Der bürgerlich gebildete Mensch denkt wie immer an Goethe und das Zitat "Wenn ein paar Menschen recht miteinander zufrieden sind, kann man meistens versichert sein, dass sie sich irren". Ein Rockfan summt zum Thema Zufriedenheit Mick Jaggers "I Can't Get No Satisfaction" und inspiriert so den Freund der körperlichen Liebe, bei "Zufriedenheit" den erdschweren Moment danach nicht zu vergessen. Der Marketingexperte jedoch denkt an Kundenzufriedenheit, die ja laut Lehrbuch zu Kundenbindung und zu ökonomischem Erfolg führt. Höchst berechenbare Reaktionen also.


Vielleicht. Denn für immer mehr Verbraucher steht Zufriedenheit schon eher für Verzicht: sich bescheiden und mit dem zufrieden zu geben, was es halt so gibt. Lieber hätten sie jedoch neue Ideen, attraktive Produkte und aufregende Leistungen. Eine realitätsnähere These zur Kundenzufriedenheit könnte lauten: Die "Nichtunzufriedenheit" reicht in vielen Fällen keineswegs zu Kundenbindung, steht sie doch bei vielen Verbrauchern mitnichten für "erfüllte Idealvorstellung", sondern als Zeichen der Resignation für "gerade noch tolerierbarer Zustand". Daran sind einerseits die Firmen selber schuld, wecken sie doch in der Werbung oft Erwartungen, die sie dann nicht erfüllen können.

Andererseits verändern sich aber auch die Konsumenten. Sie sind inzwischen an Qualität gewöhnt und werden im Hinblick auf die für einen Preis zu erwartende Leistung immer anspruchsvoller. Zudem sind die Leute informierter und daher kritischer. Zugleich ist für viele heute ein Zickzackkurs die Ideallinie: Waren des täglichen Gebrauchs werden preisgünstig geholt, um das Budget für den demonstrativen Konsum aufzustocken. Mit dem Porsche nach Aldi, Wäsche von H&M und Mantel von Max Mara, Champagner im Ikea-Glas.

Außerhalb des reinen Discounterbereichs wird es in dieser Welt immer schwerer, Kunden durch billigere Preise oder bessere Leistung dauerhaft an sich zu binden. Norbert Bolz, Professor an der TU Berlin, formulierte daher auch gleich den Markenbegriff neu: "Marke ist die Kommunikation des spirituellen Mehrwerts". Die Vorstellung, dass vor allem die Dauer der Kundenbeziehung und daher die Zufriedenheit der Klientel ihre Rentabilität bestimme, gehört vor diesem Hintergrund in die Zeit des Philosophen Hegel, der Wirtschaft als "System der Bedürfnisse" definierte. Heute jedoch geht es um Wünsche.

Damit haben wir mit einem Problem zu tun, das George Bernard Shaw unsterblich machte mit der Feststellung, dass es zwei Tragödien im Leben gebe: Des Menschen Wünsche erfüllen sich nicht. Die zweite, schlimmere Variante sei jedoch, sie erfüllen sich. Was dann? Dann muss ein neuer Wunsch her. Erfolg hat also, wer geradezu ein Feuerwerk der Wünsche erschafft. Doch trotz all der Mühen, Impulskäufer zu verführen, Kunden wandern immer schneller.

Jetzt kann der Marketer entweder versuchen, Zäune zu bauen, um die Leute einzufangen und sie mit Ratenzahlungssystemen und Langfristverträgen bei der Stange zu halten. Oder aber die Verantwortlichen können sich auf das wechselnde Paradigma der Stunde einlassen: Die Beziehung zum Kunden ist häufig zeitlich begrenzt und kann in vielen Fällen durch Marketing auch nur bedingt verlängert werden.

Wer schon mal davon ausgeht, künftig jedes Jahr die Hälfte seiner Kunden zu verlieren, kann sich darauf konzentrieren, die richtige, nämlich weniger rentable Hälfte seines Portfolios loszuwerden, und er kann anfangen, sich für die Kundenneugewinnung fit zu machen. Alle anderen werden sehr viel Energie darauf verwenden, den Schock des Verlassenwerdens zu verdauen.

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