Plagiate: Im Falschen liegt nichts Richtiges

Von Peter Littmann

Wer sich für Marketing interessiert, sollte öfter mal zum Friseur gehen. Nicht nur wegen der besseren Vermarktung des eigenen Äusseren, sondern weil der Blick über den oberen Zeitungsrand auf die umliegende Flora und Fauna durchaus erhellend sein kann. Beim letzten Salon-Besuch ließ sich eine ziemlich zerrupft wirkende Dame mit einem 20 Jahre alten Foto von Catherine Deneuve im Nachbar-Sessel nieder. “So will ich aussehen”, forderte das Schlachtroß und der Friseurin blieb erst mal das Gesicht stehen.


Schon Theodor Fontane schrieb, man solle sich über Plagiate nicht ärgern, seien sie doch “wahrscheinlich die aufrichtigsten aller Komplimente”. Doch Kopieren ist eine Kunst an sich. Wie all die Lookalike-Wettbewerbe beweisen, wollen viele Vorstadtsprinzen aussehen wie Elvis Presley und glauben, mit einer schmierigen Locke und einer ordentlichen Plauze sei das getan. Das funktioniert nicht – genausowenig wie Peroxidblond eine Mutter Beimer in eine Marilyn Monroe verwandelt.
Der Geist stiehlt, wo er kann - und offenbar besonders gerne Dinge. Während Knoll International rund 1400 autorisierte Versionen von Mies van der Rohes Barcelona Chair im Jahr baut, kommen rund 10 000 miese Kopien auf den Markt. Wer “Eileen Gray Tisch” bei Google eingibt, findet Dutzende des legendären E1027 für einen Bruchteil des Preises für ein lizenziertes Stück. Wohl war, Sachen, die keiner haben will, werden auch nicht kopiert, aber falsches Chanel No 5 riecht nun mal nicht nach Eleganz und Geld, sondern nach Kloreiniger, einer falsche Prada-Tasche platzen oft nach einer Woche schon die Nähte und von Eileen Gray bloß “inspirierte” Tische stehen so wackelig, dass der Wein schwappt. Das ist jedoch alles nur halb so schlimm, richtig übel geht der Klau aus, wenn gefälschte Feuermelder, Medikamente, Autoersatzteile oder Spielzeug nicht tun, was sie tun müssten.
Die meisten Menschen wissen um die Abgründe hinter dem Diebstahl von geistigem Eigentum, dennoch boomen die Copy Cats wie kaum ein anderes Segment des Marktes. Schätzungen gehen davon aus, dass Produktpiraterie seit 1993 um 1700 Prozent zugenommen hat, die OECD glaubt, dass heute zwischen fünf und neun Prozent aller Produkte Piratenware sind. Das steht für ein finanzielles Volumen von rund 350 Milliarden Euro. Besonders gerne gekupfert werden die Erzeugnisse von Nike und Adidas, von Ralph Lauren, Luis Vuitton, Reebok und Hugo Boss. Aber auch Lacoste, Diesel, Gucci, Chanel und Burberry gibt es als Billigversion an jeder Ecke – nicht nur in der Türkei oder in Tschechien, sondern auch auf Straßenmärkten in Paris oder London. New Yorks Chinatown lebt geradezu davon, Krokodile, drei Streifen oder den Swoosh auf namenlose Ware zu steppen.
Warum kaufen die Leute falschen Billig-Fummel? Weil sie davon ausgehen, dass ausgerechnet sie damit durchkommen? Dass die anderen gerade bei ihnen die Vorspiegelung falscher Tatsachen nicht durchschauen? So wie laut einer Umfrage des Frauenmagazins “freundin” 51 Prozent der Frauen schon mal einen Orgasmus vortäuschen?
Es wäre also an der Zeit, unser Verhältnis zu den Copy Cats zu klären. Wir sollten ein Problem mit den Dingern haben, allerdings weniger aus moralischen Gründen und mehr aus praktischen. Erstens ziehen die Gesetze an und entsprechend garstig werden Zöllner, wenn sie im Touristen-Koffer bei der Einreise aus der Türkei oder den USA gefälschte Kleidung und Uhren finden. Inzwischen bekommen in Deutschland rund 10 000 Leute im Jahr Ärger wegen Einfuhr von kopiertem Plunder. Andere EU-Staaten agieren ähnlich, die Franzosen sind besonders zickig: Auf falsche “Mitbringsel” stehen da bis zu 300 000 Euro Strafe. Zweitens ist die Pseudo-Ware auch sonst alles andere als günstig: Für ein Polo, das nach zwei Mal waschen breiter als lang ist, sind auch fünf Euro zuviel. Drittens – und das ist der wichtigste Grund – auf die Dauer zieht nur Authenisches. Eine Frau in einer echten Jeans sieht am Ende besser aus als eine im gefälschten Versace-Fummel.
Im Bett, im Kleiderschrank, am Handgelenk oder auf dem Kopf: Konsequent eigener Stil, Persönlichkeit, Charakter sind allemal attraktiver als jede noch so vermeintlich gut gemachte Show. Eine Frisur macht keine Deneuve, genauso wenig wie ein Turnschuh einen Sportler. Menschen haben entweder Geschmack oder Fakes und wer was anderes glaubt, ist einer Fälschung aufgesessen.

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