Promi-Werbung: Bekannt dafür, bekannt zu sein

Von Peter Littmann

Wissenschaft ist was Feines. Mehrere Leute untersuchen jahrelang einen Zusammenhang, schreiben unterschiedlich kluge Studien und am Ende gilt: Nix genaues weiß man nicht. Das ist fast so schön wie die alte dekadente Frage, welche Hälfte des Marketingbudgets diejenige ist, die zum Fenster raus fliegt.


Jetzt mal im Ernst: Das Fachblatt “Journal of Marketing” bringt in der kommenden Ausgabe im nächsten Januar einen Aufsatz zweier amerikanischer Forscher, der die Rolle des Marketingvorstandes untersucht. Über fünf Jahre hinweg wurden 167 Unternehmen aller Branchen analysiert und das Ergebnis ist eigentlich kein Ergebnis: Auf den Unternehmenserfolg hat es diesen Wissenschaftlern zufolge nämlich keinerlei Einfluss, ob im Vorstand ein Marketingfuzzi sitzt oder nicht. Aua, das schmerzt. Nicht nur, weil die jüngere Forschung die Anwesenheit eines Chief Marketing Officers (CMO) im Vorstand als Indikator dafür benannte, ob ein Unternehmen dem Thema Marketing ausreichende strategische Bedeutung beimisst, sondern auch, weil so ein CMO weithin als die Verkörperung “der Stimme des Kunden” in der Vorstandssitzung gilt.
Was aber bedeutet das? Dass es wurschst ist, wie stark der Einfluss von Marketingüberlegungen auf Unternehmensstrategie ist? Dass es keine Rolle spielt, ob ein Advokat der Kunden auf der Beletage herumläuft? Wir wissen es nicht und unsere Freunde, die Forscher, wissen es offenbar auch nicht.
Daher eine – zugegebenermaßen ein wenig hemdsärmelige – Arbeitshypothese vom Praktiker. Vielleicht sagt die Studie ja eigentlich nur, dass die Herren und Damen Marketingvorstände in vielen Fällen nicht kreativ und durchsetzungsfähig genug sind, um tatsächlich einen Unterschied für ihren Arbeitgeber zu machen? Eventuell bedeutet diese Studie ja nur, dass das, was ein CMO im Allgemeinen so treibt, auch ein gewöhnlicher Marketingleiter hinkriegt. Für das halbe Gehalt.
Denn wenn wir gucken, wohin die Marketinggenies – egal auf welchem hierarchischen Level - derzeit den Trend treiben, dann sehen wir in der Tat nicht viel Innovatives, sondern bloß in vielen Kampagnen Gesichter von Stars und Sternchen. Promiwerbung grassiert. Wobei Leute wie Kate Moss oder Heidi Klum schon als “Celebrity” gezählt werden und nicht mehr als Models.
Inzwischen hat sogar Michail Gorbatschov einen Koffer in Berlin. Zumindest in der Werbung, in der er in einer Limousine an den Resten der Mauer vorbeifährt. Neben Gorbi steht eine Tasche von Luis Vuitton. Was hat ein russischer Ex-Politiker mit französischer Luxusware zu tun? Das fragt sich Michail Sergejewitsch vermutlich selber und guckt deswegen so gedankenvoll aus dem Fenster. Vielleicht liest er das Kürzel LV als “Lunch Voucher” und freut sich über leicht verdiente Knete.
Der Faustregel zufolge kriegt die werbende Person zehn bis 15 Prozent des Media-Spendings. Für einen C-Promi sind rund 50 000 Euro fällig, für echte Stars ist die Skala nach oben offen. Sharon Stone soll acht Millionen Dollar gekriegt haben für ihren Vertrag mit Dior, Nicole Kidmann sieben für ihren mit Chanel. Die Risiken sind entsprechend: Als Celine Dion beschloss, in Rente zu gehen, ging das gleichnamige Parfum gleich mit. Ähnliches gilt auch in der Provinz: Müller Milch musste mit Dieter Bohlen erleben, dass ein Werbeträger wenigstens bei einem Drittel des Publikums beliebt sein sollte. Haudegen Götz George traut man zwar Pilsener zu, aber für Henkell trocken war er eine Fehlbesetzung. Und in Umfragen sagen Verbraucher schon länger, dass sie keine Promi-Kampagnen mehr sehen können.
Denn häufig ist Promi-Werbung wie Paris Hilton: Die ist nur bekannt dafür, bekannt zu sein. Leistung ist weit und breit keine zu sehen und die Paparazzi und Boulevardblätter sind vor allem deswegen hinter ihr her, weil all die anderen Paparazzi und Boulevardblätter auch hinter ihr her sind. Das selbe Prinzip steckt hinter vielen Testimonials: Der Agentur fehlt der zündende Funke und dann kommt einer mit einem Namen. Andere Markenartikler sind ja schließlich auch erfolgreich mit einer dicken Nase. Wirklich? Wir lesen seit Jahren, dass für Valentino die Tatsache, daß Julia Roberts in einer seiner Roben zur Oscar-Verleihung erschien, einen Publicity-Wert von 25 Millionen Dollar hatte. Eine echte Analyse zur Werbewirksamkeit von A-, B- und C- Gesichtern in Kampagnen ist mir allerdings noch nicht untergekommen. Hallo Forscher – wäre das nicht mal ein Thema?

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