Globalisierung mit der Kreditkarte

Von Peter Littmann

Amerikanische Handelsketten kaufen neuerdings weniger Textilien in China und wieder mehr Fräckchen "made in America". Das zumindest beobachtet die Californian Fashion Association, und der sozial engagierte Mensch nickt anerkennend.


Die Politik der Chinesen ist bestenfalls verlogen, ihre Unternehmen klauen Ideen und Patente wie Kinder Nachbars Kirschen, Umwelt- oder Arbeitsschutz sind in dem Riesenreich nach wie vor weitgehend unbekannt. Und dann noch die Qualitätsskandale der letzten Monate ... - wurde ja auch Zeit, dass die Welt reagiert.

Doch gemach mit dem Gestus der moralischen Überlegenheit. US-Bekleidungshäuser kaufen neuerdings wieder mehr zu Hause, in Mexiko oder Honduras, weil das schneller geht. Ware aus China braucht drei bis sechs Monate, bis sie in den amerikanischen Regalen liegt, doch dank der europäischen Konkurrenz wie H&M, Zara, Mexx oder Mango, die ständig neues Inventar in ihre Schaufenster kippt, hat häufig der Trend schon gedreht, bis der Container aus Fernost endlich da ist.

China-orientierte Händler sitzen also oft auf Klamotten, die nach Vorsaison aussehen. Dass die amerikanischen Ketten jetzt also wieder in der Nähe kaufen, auch wenn das im Vergleich mit China teurer ist, hat nichts mit Konsumentenkritik an den politischen oder geschäftlichen Praktiken der Chinesen zu tun, sondern mit dem Wunsch der Händler, gute Umsätze mit schöner und aktueller Ware zu generieren.

Vor zwei, drei Jahren gab es schon einmal die Vermutung, das Image einer Marke hänge auch mit dem Image ihres Heimatlandes zusammen, allerdings ging es damals um Amerika. In Old Europe verkauften sich plötzlich US-Marken wie Coca-Cola, McDonald's und Marlboro nicht mehr gut. Stattdessen wurden heiße Themen wie Irak, Abu Ghraib und Guantanamo Bay diskutiert.

In Befragungen in 30 Ländern sagten nur noch 27 Prozent der Konsumenten, sie würden amerikanische Waren benutzen. Coca-Cola verkaufte den Deutschen 16 Prozent weniger Drinks und Altria den Franzosen ein Viertel weniger Marlboros. Ha! Und wir wussten genau: Das war die fällige Quittung aufgeklärter Bürger für den Militarismus, das nicht ratifizierte Kyoto-Protokoll und die ganzen fiesen Korruptionsskandale von Enron & Co!

Doch ist der Zusammenhang zwischen Politik und Profit tatsächlich so offensichtlich? Und wenn ja, warum tauchte er erst im Irak-Krieg auf, schließlich gab es antiamerikanische Ressentiments doch auch schon früher?

Coke begründete den Absatzschwund in Deutschland übrigens mit dem Dosenpfand, Altria erklärte, die hohen Steuern würden die Leute in billigere Produkte treiben. Geglaubt hat ihnen das damals keiner, auch weil wir die Gegenmaßnahmen betroffener Firmen als Fleischwerdung des schlechten Gewissens empfanden.

Pepsi beispielsweise sponserte plötzlich Reiseführer für amerikanische Studenten, die den Kids helfen sollten, im Ausland nicht als "ugly Americans" aufzufallen. Seither brach jedoch der iPod zum weltweiten Siegeszug auf, und Kodak, Kleenex, Visa oder Gillette hatten ebenfalls keine Probleme. Nur deswegen, weil viele Leute diese Marken gar nicht mehr als amerikanisch wahrnehmen?

Vermutlich ist es doch eher so, dass bei der Wahl zwischen lokalen, nationalen und globalen Produkten häufig schlicht Gewohnheit und lokale Präferenzen das Konsumentenverhalten dominieren. In Befragungen mag so manch einer seine Wut über die Politik der Amis ventilieren. Was jedoch in der Armeslänge zwischen Person und Supermarktregal passiert, ist eine andere Frage. Anders ausgedrückt: Wer denkt schon wirklich über US-Außenpolitik nach, wenn er sich einen Softdrink holt?

Vielleicht ist das ja keine Harvard-fähige Theorie, aber es sieht so aus, als setzten sich Kaufentscheidungen aus mehreren Gedanken zusammen: Da mischt sich "Eine globale Marke muss gut sein, sonst hätte sie nicht diesen Erfolg" mit "Coole Leute überall auf der Welt benutzen dieses Ding, ich will Teil dieser Community sein" und "Wenn das Zeug einer Firma dreckig oder gesundheitsgefährdend ist, dann kauf ich es eben nicht mehr".

Ob das fragliche Produkt dabei deutsch, französisch, amerikanisch oder chinesisch ist, interessiert den Kunden dabei zu allerletzt.

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