Täschners tragbare Statussymbole
Handtaschen und Koffer sind mit die ältesten Produkte der Menschheit. Was mal als in Leder gewickeltes Bündel an einem über die Schulter getragenen Stock begann, ist heute ein Megamarkt, dem viele legendäre Logos ihre Entstehung verdanken, Gucci hat mal als Täschner angefangen, wie übrigens auch Prada oder Louis Vuitton.
Momentan ist das seit der Erfindung des Reißverschlusses innovationsfreie Produkt Handtasche in aller Munde, weil die Preise so explodieren. Wer früher 800 Euro berappte, um Lippenstift, Handy und Kalender transportabel zu machen, bezahlt heute 2 000. Grenzen nach oben gibt es fast keine: Bottega Veneta offeriert Lederbeutel für 78 000 Dollar, bei Louis Vuitton sind bunte Patchwork-Säcke für 42 000 Dollar erhältlich, ein Birkin Bag in Krokoleder kostet bei Hermès so ab 22 000 Euro aufwärts.
Lustigerweise sind in den Fälscherparadiesen des Ostens sehr ordentlich gemachte Fakes für einen Bruchteil des Ladenpreises der legalen Ware zu kriegen. Das steht hier nicht, um Copyright-Verletzungen zu loben, sondern nur, um zu zeigen, wo die Produktionskosten der Taschen tatsächlich liegen.
Selbst wenn man zu den Fälscherpreisen noch ein beachtliches Sümmchen für den Qualitätsunterschied addiert, weil die echte Ware vielleicht liebevoller gemacht ist, kosten Copycats maximal 20 Prozent von dem, was das Original bringt. Der Schluss liegt nahe: Die Konsumentin zahlt nicht Unsummen, weil die Fertigung des eigentlichen Produkts so aufwendig ist, sondern sie blutet für die Marke selbst. Anders ausgedrückt: Mit den Täschchen finanzieren viele Labels ihre ansonsten nicht so wahnsinnig margenträchtigen Unternehmungen. Warum diese den Handtaschen-Virus des Publikums noch besser pflegen als das Ego ihrer Designer, ist also klar.
Und so entsteht hoch verderbliche Ware - nicht nur, weil die meisten Trophäen der Fashion-Victims nach einer Saison so alt sind wie Fisch nach einem Tag in der Sonne, sondern auch, weil sie im Secondhandmarkt nur ein Fünftel ihres Neupreises erzielen, mit wenigen Ausnahmen wie den Kelly oder Birkin Bags von Hermès.
Warum spielen die Konsumenten da mit? Nun einmal, weil sie es können. Immer mehr Menschen haben immer mehr Geld. Außerdem geht es um die Sehnsucht nach Abgrenzung. Also wird im uralten Spiel um Macht und Geld ganz einfach der Einsatz erhöht. Die zwar deutlich überteuerte, aber im Vergleich zum Designerkostüm relativ günstige Handtasche ist als tragbares und gut sichtbares Statussymbol wie ein Plakat um den Hals: Wir haben's, aber ganz dicke!
Und so entstehen die merkwürdigsten Produkte. Goldbeschichtete Koffer beispielsweise im Wert einer Pauschalreise nach Thailand, die im Design an Zeiten erinnern, als Reisen noch Luxus war. Sie dienen im Wesentlichen dazu, die Besitzer dieser It-Bags vom hoi polloi abzugrenzen. Dass die schlimmsten Gestalten der Gattung wie Britney Spears oder Paris Hilton genau diese "Clutches", "Hobos" oder "Totes" für die Massen erst zum wieder erkennbaren Objekt der Begierde machen, ist die in neuvermögenden Kreisen offenbar wenig auffällige Ironie der Geschichte.
Manchen Marketingexperten der großen Modelabels jedoch ist dieser Schmerzpunkt peinvoll bewusst, und daher sind gerade neue Vermarktungsideen sehr gefragt. Luis Vuitton beispielsweise beauftragte die Performance-Künstlerin Vanessa Beecroft mit einer Installation im Flagshipstore der Marke an den Champs Élysées. Die Künstlerin ist dafür bekannt, dass sie Voyeurismus und die Ausnutzung des weiblichen Körpers zu ihrem Thema macht. Sie setzte in dem Pariser Showroom 30 nackte Modells zwischen Handtaschen und Koffer, wo sie wie käufliche Objekte wirkten. Zehn weitere Frauen formierten das Logo - dunkelhäutige stellen das "L" und hellhäutige das "V". Hätte sich das nur ein Dekorateur ausgedacht, wäre es frauenfeindlich - so ist es Kunst.
Gelungenes Marketing? Oder nur eine Künstlerin, die auch mal richtig Geld verdienen will? Louis Vuitton jedenfalls schmückt sich damit, genau den Konsumismus, von dem der Konzern prächtig lebt, kritisch zu hinterfragen. Klingt ja auch besser, als zu sagen: Wir bezahlen eine Künstlerin, die medienwirksam ganz niedliche Sachen macht und uns hilft, uns von dem Publikum abzusetzen, das meint, Geschmack könne man einfach so kaufen. Dabei muss man das gar nicht - eine Handtasche tut es offenbar auch.