Warum Mickey Mouse Feng-Shui lernt

Von Peter Littmann

Was hat ein Vergnügungspark mit der Vermögensberatung gemeinsam? Nun, genauso wenig wie die vielen Bankberater das Vermögen ihrer Kunden mehren oder diese vernünftig beraten, erinnert so ein institutionalisierter Rummel einen erwachsenen Europäer an Vergnügen oder an Park. Als Disney sein Pariser Gelände eröffnete, rümpften die Franzosen wegen Kulturlosigkeit und dem über dem Gelände liegenden Pommesduft die Nase. Die Besucherzahlen schwankten von Anfang an bedrohlich.


Ähnlich das Bild in Großbritannien. Dort glaubt Blackpools Beach, immer noch die größte Touristenattraktion im Königreich zu sein, aber die Britten üben sich inzwischen in der Nationaltugend Distanz und bleiben der stationären Kirmes weitgehend fern. Der Durchschnittsamerikaner geht fast einmal im Jahr in einen Themenpark, der Europäer nur alle sechs Jahre.

Das kann man nun in zwei Richtungen interpretieren. Eine Schlussfolgerung könnte heißen: Die Branche steckt in der Misere, denn die gerade akute Konsumentengruppe junger Leuten verbringt die Zeit lieber mit der Playstation oder X-Box, anstatt sich höchstselbst in einen Vergnügungspark zu begeben.

Genauso gut könnte man jedoch sagen, dass in Europa und anderswo außerhalb von Amerika ein gigantisches Besucherpotenzial ungenutzt bleibt, das mit gutem Marketing zu heben und auf US-Niveau zu bringen wäre.

Letzteres scheint großen Investmentgesellschaften zu konvenieren, jedenfalls übernahm Palamon die europäische Division der amerikanischen Betreiberkette Six Flags, Blackstone hat sich Legoland und Merlin Entertainments zugelegt, und Dubai International Capital stieg bei der Tussauds Group ein, die neben den Wachsfigurenkabinetten auch Vergnügungsparks betreibt. Dubai und Tussauds haben nun ihre Geschäfte zusammengeschmissen und betreuen gemeinsam 30 Millionen Gäste und 50 Attraktionen.

Während die Investoren in Europa noch mit der Frage ringen, wie sie eine mit Unterhaltung aller Art gesättigte Internetgeneration weg vom Bildschirm hinein in die Achterbahn locken, ist weiter östlich der Goldrausch ausgebrochen. Stadtstaat Dubai baut an einem Areal aus Freizeitparks, das mit 140 Quadratkilometern Fläche das größte Unterhaltungsviertel der Welt werden soll. Das Monster soll fünf Milliarden Dollar kosten und täglich 200 000 Gäste anziehen.

Derweil eröffnete Disney längst seinen neuen Park in Hongkong. Das Unternehmen hat 316 Millionen Dollar investiert, Hongkongs Stadtverwaltung 419 Millionen. Die Gesamtkosten sollen 1,8 Milliarden Dollar betragen haben. In den kommenden 40 Jahren soll das von einem Feng-Shui-Experten auf Wohlstand ausgerichtete Disneyland der Stadt Hongkong Einnahmen von 15,5 Milliarden Euro in die Kasse spülen. 18 000 Arbeitsplätze hängen bereits an dem Gelände, weitere 36 000 sollen in den nächsten 20 Jahren entstehen. Pünktlich zur World Expo in Schanghai 2010 soll nun auch da ein Disney Resort entstehen, nur noch schöner und viermal größer als das in Hongkong ...

Hier vor allem über Kosten und Return on Investment zu sinnieren springt zu kurz, denn der eigentliche Wert von Disneys Parks besteht ja darin, dass sie zum Anfassen verkörpern, was der Konzern insgesamt treibt. Hongkong und Schanghai sind also nur der Marketingbrückenkopf Disneys in China. Dort werden die Kinder nun über die verschiedenen Figuren aufgeklärt und lernen, dass es um Mickey & Co herum ganze Storys, Filme, Comic- und Merchandisingwelten gibt.

Dazu passt wunderbar eine Vereinbarung mit der staatseigenen China Youth League mit 70 Millionen Mitgliedern unter 14, die vorsieht, dass Disney den Kids "kreatives Lernmaterial" zur Verfügung stellt. Soll heißen: Chinesischer Nachwuchs malt künftig in der staatlichen Freizeitbetreuung die Maus und lernt an der kleinen Meerjungfrau, wie Zeichentricks animiert werden.

Als Megamarketing-Maßnahme in neuen, bisher von US-Popkultur dank staatlicher Vorsorge weitgehend verschonten Märkten rechnen sich Freizeitparks vor allem als Vehikel, um eine ganze Produktfamilie zu vertreiben. Aber wer kann das leisten in der Branche? Wer außer dem Magic Kingdom hat schon einen ganzen Unterhaltungskonzern im Hinterzimmer? Läuft alles wie geplant, wird der Begriff "Vermögensberatung" für Disney in Asien sehr wohl einiges mit dem Ausdruck "Vergnügungspark" gemeinsam haben. Alle anderen Anbieter werden mittelfristig vermutlich über ein Umsatteln auf Computerspiele nachdenken.

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