Reicher Mann, armer Hund: Sehnsucht nach Abgrenzung

Von Peter Littmann

Wir Armen ahnen es schon lange: Die Reichen werden immer reicher. Laut der Investmentbank Merrill Lynch besitzen 8,7 Mill. Menschen mindestens eine Mill. Dollar. In der vergangenen Dekade wuchs das Vermögen dieser Gruppe jährlich um acht Prozent auf 33,3 Bill. Dollar. Der Zuwachs stammt mehrheitlich aus Russland, Indien und China - den Ländern, die bis 2014 für ein Drittel des Marktes für Luxusgüter stehen werden.


Die Luxusindustrie tanzt deswegen aber nicht auf den Tischen. Es ist zwar erfreulich, dass mehr Menschen mehr Geld ausgeben können. Das Problem ist bloß, dass sich heute die gehobene Mittelklasse das gönnt, was gerade noch Luxus war. Die wirklich vermögenden Stände wollen jedoch nicht mit dem Klingelbeutelbürgertum im Nerzkragen verwechselt werden - schließlich ist es ein Merkmal von Luxus, dass er denjenigen, der ihm fröhnt, von den Habe-fast-nichtsen abgrenzt.

Die Luxushersteller müssen daher neue Kriterien für das oberste Ende des Marktes definieren. Doch was ist Luxus überhaupt? Nun, der wird heute durch den definiert, der ihn kauft. Die Branche selbst spricht von "Neuen Vulgären" und "Neuen Medicis". Erstere leben nach dem Motto: höher, weiter, teurer. Sie kaufen große Marken und nicht unbedingt Qualität. Letztere - und das sind oft die reicheren - treten wesentlich leiser auf. Geld erlaubt ihnen, Erfahrungen zu machen ohne Dinge anzuhäufen und Kaufkraft zu demonstrieren. Sagen wir es so: Die Vulgos lassen sich den Glenfiddich kistenweise schicken, Medicis sind Mitglied im britischen Whisky-Club "Keepers of the Quaich".

Die Renaissancetypen wollen wenig mit den "Neuen Vulgären" zu tun haben. Doch das ist schwierig in Zeiten, in denen schon Schneebesen mit dem Attribut "exklusiv" angeboten werden. American Express stellt leicht verstört fest, dass viele der traditionellen Big Spender ihr Geld neuerdings anders ausgeben. Es geht weniger um Produkte und mehr um Erlebnisse, die Leute fragen eher nach Umweltverträglichkeit als nach Statusfaktor. Statt dem Design-Schnickschnack aus Italien ist der Schreiner gefragt, der ganz persönliche Möbel entwirft.

Der Sehnsucht der ganz Reichen nach Abgrenzung versucht der Handel mit exklusiven "Private Clubs" zu entsprechen. In Tokyo gibt es den Celux Club, in dem Lifestyle-Kuratoren Rat anbieten zu wichtigen Fragen des reichen Lebens wie der Wahl des Fracks und Weins. Obendrein gibt es LVMH-Produkte, die nur für Mitglieder entworfen werden. In New York bezeichnet sich Aston Pearl als "Bank für alles, außer Geld". Das Institut verkauft Expertenmeinung an Leute, die wenig Zeit und noch weniger Ahnung haben, um selber zu wissen, welche Kunst sie sammeln wollen und auf welche Privatschule sie ihre Kinder schicken sollen.

François-Henri Pinault, Chef der Luxusgruppe PPR, definiert "High Luxury" als individualisierte Produkte, persönliche Beziehungen zum Kunden und der Bereitschaft von allen Beteiligten, auch mal ein Risiko einzugehen. Was genau dieses Risiko ist, sagt er nicht. Meint er, in den allgemeinen Handtaschenmarkt von 1 000 Euro pro Stück eine Gucci-Krokotasche mit einem Preisschild von 13 900 Euro zu werfen? Oder redet er von den Top-Designerlabeln, die immer noch in allen Märkten der Erde dieselben Kollektionen anbieten, wo doch individuelle Produkte angesagt sind?

Glücklicherweise bedeutet Luxus nicht überall dasselbe. In China, Russland und USA überwiegen in der Geldelite nach wie vor vom Status getriebene Leute, die extrovertiert, demonstrativ und extrem materialistisch auftreten. Je lauter und auffälliger und wiedererkennbarer da eine Marke daherkommt, desto besser. Das sind ganz offenbar gute Nachrichten für viele Hersteller.

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