Es ist wahnsinnig schwer, ein Snob zu sein

Von Peter Littmann

Des Mittelalters schlechter Ruf ist aus der Sicht des Dandys völlig unbegründet. Kleidung spiegelte den Platz ihrer Träger in der Ständeordnung wider. Hanf und Nessel war in diesen Tagen für den Plebs. Wer was auf sich hielt, trug edles Tuch, gar Seide. Sollte sich einer als was Besseres verkleiden, kriegte er von der Obrigkeit prompt und gehörig was auf die pelzverbrämte Mütze. Das Beste jedoch war: Die allermeisten Leute blieben ihr Leben lang im 20-Kilometer-Radius um ihren Geburtsort.


Und heute, im vermeintlichen Fortschritt? Stella McCartney arbeitet für Adidas, Karl Lagerfeld für H&M, Wal-Mart schaltet Anzeigen in der amerikanischen "Vogue", und jede bessere Friseuse reist nach Hongkong, um anschließend ein dort erworbenes Prada-Fake durch heimische Fußgängerzonen zu schleppen, in denen Zara neben Jil Sander residiert.

Hochkultur mischt sich mit Trash, Luxusware mit Massenprodukten, dieselbe Frau trägt heute Ferragamo-Schühchen und morgen Birkenstock Latschen, geht zum superteuren Öko-Metzger und danach zu Lidl, und kein Mensch kennt sich mehr aus. Gerade beim Reisen wird es immer schwieriger, sich die eigene Luxusorientierung nicht vom gemeinen Volk vermiesen zu lassen. Die Vertreter des Massen- und Billigtourismus trampeln dem Connoisseur permanent und überall durch sein gepflegtes Weltbild.

In Sachen Statussymbol können wir den Porsche getrost vergessen, ebenso die meisten Nobelherbergen und -restaurants. Im Nachbarwagen oder am Nachbartisch sitzen fast immer auch Leute, die ein geübter Snob noch nicht einmal ignoriert. Nein, der Kenner offenbart sich nicht mittels PS oder Messer und Gabel - sondern in der Luft.

"Schatz, dieser Regen in Hamburg ist einfach unerträglich. Hast du den Schlüssel vom Jet gesehen? Lass uns die Kinder nehmen und auf ein Eis nach Nizza fliegen!"

Das mag ein wenig übertrieben sein, doch die Idee vom Familienflugzeug rückt mit den Very Light Jets oder VLJs deutlich näher. Sie gelten als so sicher und verlässlich wie größere Maschinen, sind aber in Anschaffung und Unterhalt günstiger. Bisher kostet ein brauchbarer Privatflieger so um die 4,5 Millionen Dollar. Die viersitzige Cessna Citation Mustang ist rund zwei Millionen preiswerter, je nach Ausstattung, versteht sich. Allerdings hat sie nur eine durch einen Vorhang (!) vom Cockpit getrennte Notfalltoilette. Ihr noch günstigerer Wettbewerber unter den VLJs, die Eclipse 500, hat gar keinen Thron.

Wohlhabende Sensibelchen weichen deshalb auf Time Sharing in besser ausgestatteten Privatfliegern aus. Das funktioniert wie folgt: Ein Unternehmen (wie beispielsweise Flexjet) kauft, wartet und fliegt die Dinger, der Teilzeiteigner erwirbt das Nutzungsrecht für eine bestimmte Anzahl Flugstunden oder Tage im Jahr. Das Mysterium der "eigenen" Maschine bleibt so erhalten, ebenso wie ihr Angeberpotenzial. Der Ärger jedoch entfällt, der einhergeht mit der Verantwortung für ein fliegendes Statussymbol.

Die günstigsten Angebote für so genanntes Fractual Ownership liegen dank Marktführer Netjets bei um die 120 000 Dollar für ein Paket von 25 Flugstunden. Offenbar ist da Musik drin, denn die amerikanische Investmentlegende Warren Buffet steckt Geld in diese Angebote und sagt: "Es gibt Gründe, warum die Leute lieber ein Taxi rufen, als auf den Bus zu warten. Wir haben das Ganze nur etwas luxuriöser gestaltet und 45 000 Fuß über die Erde verlagert." Taxirufen dauert in dem Fall nur leider sechs Stunden, so viel Vorwarnung brauchen die Anbieter, bis ein Flieger bereit steht.

Bleibt zu bedenken, dass die Presse immer berichtet, wenn die Kleinen vom Himmel fallen, so dass zumindest die gefühlte Sicherheit in großen Bombern deutlich höher ist als in den Moskitos.

Deswegen muss der verwöhnte Vielflieger ja noch lange nicht auf den Abstand zu den anderen verzichten. Lufthansa hat einen so genannten HON-Circle für Leute, die im Verlauf von zwei Jahren mindesten 600 000 Kilometer fliegen, ähnliche Programme gibt es bei den Fluggesellschaften Delta, Singapore oder United.

Sie beinhalten neben all dem, was ein First-Class-Reisender erfährt, auch eine persönliche Eskorte durch die Flughäfen dieser Welt, die alle Hindernisse bei Abfertigung und Zoll aus dem Wege räumt. Falls er sich mal verspätet, wird der Vielflieger mitsamt seinem Gepäck halt in der Nobelkarosse auf den Runway gefahren, damit die Maschine noch erreicht wird. Luxuriöser geht es nur noch nach dem Motto des Mittelalters: schlicht zu Hause bleiben.

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