Unternehmen müssen vertrauenswürdig sein
Push-up-BHs täuschen Fülle vor, wo keine ist, Frauen gehen genauso oft fremd wie Männer, fast alle Dalí-Grafiken auf dem Kunstmarkt sind gefälscht, und ständig geraten Manager hochrangiger Unternehmen unter Korruptionsverdacht. Wem kann man noch vertrauen? Radfahrern?
Verlässlichkeit war immer schon rar, und sie wird immer seltener. Dieser Schwund erfasst auch die Konsumenten - die meisten Marketingmanager fragen sich, was eigentlich aus dem "treuen Kunden" geworden ist? Bestenfalls eine bedrohte Spezies. Das hat nicht nur damit zu tun, dass gut informierte Verbraucher in einem gigantischen Angebot heute per se leichter desertieren, sondern auch damit, dass viele Unternehmen ihrerseits die Markenversprechen schlichtweg nicht halten.
Wer innerhalb weniger Jahre mehrmals den CEO, die Strategie, die Produktlinie und die Werbekampagne ändert, braucht sich nicht wundern, wenn keiner mehr kapiert, wofür ein Label überhaupt steht. Loyalität und Vertrauen sind schließlich Ergebnis eines wiederholt positiven Erlebens.
Schon Peter Drucker sagte so schön: Unternehmen werden erfolgreich, wenn sie die Bedürfnisse ihrer Kunden verlässlich erfüllen. Aber was ist das, Kundenbedürfnis? Viele glauben, eine Offerte muss heute entweder eine Branche und ihre Spielregeln von Grund auf verändern oder sie muss Emotionen zum Klingen bringen. Diese Weisheiten sind ja auch wahr, aber vielleicht sind sie nicht die einzig gültigen. Wenn wir lediglich einen Mietwagen buchen oder einen Brief beim Kurierdienst abgeben, wollen wir kein branchenerschütterndes Erdbeben, sondern einfach nur Leistungen, die halten, was sie versprechen.
Vielleicht wollen die Kunden das heftig beworbene Feature "Sie können jederzeit nachsehen, wo Ihre Sendung ist" gar nicht, wenn sie sich darauf verlassen könnten, dass ihr Brief am nächsten Arbeitstag wirklich ankommt. Es reicht, wenn der Provider tut, was er verspricht. Dasselbe gilt für Geschäftsreise-Hotels, Rasiercreme oder den Reifendienst. Viele ausgeklügelte Produktmätzchen sind den Leuten nämlich völlig wurst. Das bricht Ingenieuren und Markenmanagern das Herz, ist aber auch eine Gelegenheit, Geld zu verdienen. Es gilt, darüber nachzudenken, was die Leute wirklich wollen - und das dann so zuverlässig zu liefern, wie es morgens hell wird.
Das zahlt sich aus: Vertrauen senkt Akquisitionskosten, denn vertrauenswürdige Unternehmen werden weiterempfohlen, andere müssen ohnehin leere Sofas mit teurer Werbung beschallen. Eine Studie des Internet-Auktionshauses Ebay beweist überdies, dass verlässliche Verkäufer über sieben Prozent höhere Preise durchsetzen können. In einer komplizierten Welt zahlen die Leute gerne vorne mehr, um hinten Ärger zu vermeiden. Vertrauen erleichtert auch Wachstum: Ein zufriedener Kunde wird weitere Angebote gerne in Anspruch nehmen. Kurz: Kundenversteher, die ihre Klientel zuverlässig bedienen, haben langfristig Wettbewerbsvorteile.
Die Angewohnheit der Airlines, einen Flug noch immer als "pünktlich" zu bezeichnen, wenn der Flieger zehn Minuten vor Abflug noch nicht mal am Gate steht, ist das Gegenbeispiel. Unternehmen sollten auf der Seite ihrer Kunden stehen und nicht - wie viele Banken das beispielsweise tun - Produkte promoten, die hauptsächlich für sie selber Mehrwert schaffen. Ein Unternehmen kann nur so vertrauenswürdig sein wie seine Zulieferer - wer billige "Umweltschweine" beschäftigt, wird über kurz oder lang eher Feinde produzieren als Umsätze.
Dasselbe gilt für die Werbung: Der alte Glaube an den "Push" - egal was lässt sich in den Markt drücken, wenn nur das Marketingbudget hoch genug ist - wird unter Vertrauensaspekten betrachtet so zweifelhaft wie die Theorie von der jungfräulichen Empfängnis. Beim Verbraucherportal epinions.com, mittels Preisvergleiche von expedia.de, durch Amazons Leserkritiken und andere Transparenzbeschleuniger finden Verbraucher schnell heraus, was ein Angebot taugt. Und wehe, das stimmt nicht mit der Werbebotschaft überein.
"Push" kann nicht funktionieren, wenn das Produkt letztendlich nicht hält, was der Slogan verspricht. Davon gibt es wirklich nur eine einzige Ausnahme: den Push-up-BH. Am Anfang lassen wir uns mit Vergnügen beschwindeln. Aber nur am Anfang.