Zum Muttertag: Alles Biester, außer Mama

Von Peter Littmann

Die Rabenmütter-Diskussion ist nichts Neues. Nach dem ersten Weltkrieg drängelten die Frauen ins Leben: Sie wollten wählen, arbeiten, studieren und öffentlich rauchen. So viel Selbstständigkeit war den Floristen nicht geheuer: Aus ihrer Sicht hätte das Ende des abhängigen Weibchens auch das Ende des Blumenstraußes bedeutet. Also forderten sie die Übernahme des bislang nur in Amerika bekannten Muttertags zum offiziellen deutschen Ehrentag. Das gelang 1934 (!) - und die Übernahme des entsprechenden Frauenbildes gleich mit.


In der Verbandszeitung der Blumenhändler stand zu lesen: "Nun haben wir auch den Muttertag zum ersten Male richtig zur Geltung gebracht ... Das Ziel der Regierung, die Familie zu harmonischem Familienleben zurückzuführen, wird durch Familientage wie den Muttertag am besten erreicht." Harmonie am Herd, erkauft mit einem Strauß im Jahr - welche Glanzleistung des Marketings. Kleines Wunder also, dass Werber im Mai immer noch so tun, als wären sie Muttis bester Freund.

Bei Blümchen ist es deswegen nicht geblieben. Wer Radio Emscher-Lippe anruft und erklärt, warum seine Mama "100 Prozent die Beste" ist, kann einen Einkaufsgutschein im Wert von 100 Euro gewinnen. Kindern, denen dazu gar nichts einfällt, kann geholfen werden: Beispielsweise mit Anja Ellermanns Buch "20 gute Gründe, warum du als Mutter wunderbar bist".

Wer seine Mama mal nicht nur mit einer Schachtel Pralinen beglücken möchte, findet bei geizkragen.de Alternativen. Wem das noch zu teuer ist: Bei heimwerker.de gibt's zum Muttertag die Rubrik "Wir basteln selber ein Geschenk" und telefonbuch.de verlost 1 000 Gratis-Muttertagsgrüße. Im Internet gibt der Nachwuchs ein, was auf der Karte stehen soll und der Provider liefert das Brieflein aus. Darüber freut Mami sich bestimmt halb tot.

In Amerika ist man schon einen Schritt weiter. Da will man nicht nur im Mai ein paar Kurzfristumsätze realisieren, sondern da werden Mütter zum Marketing-Zielobjekt fürs ganze Jahr. Der Hintergrund: Viele Hausfrauen leben am Stadtrand und pendeln nur noch zum Arbeiten in die Stadt. Sie haben wenig Zeit und vermissen soziale Kontakte, sie nutzen das Internet, um sich auszutauschen. Also begann ClubMom - eigentlich ein auf Mütter spezialisiertes Bonusprogramm im Lebensmittelhandel - damit, seinen zwei Millionen Mitgliedern Bonuspunkte und Geschenkgutscheine anzubieten, wenn sie Texte ins Internet stellen. Inzwischen finden sich da 20 000 Artikel mit Ratschlägen von Müttern für Mütter. Zum Muttertag startet das Unternehmen nun die Site MomNetwork, wo Nutzerinnen sich auch anonym über ihre Probleme auslassen können. Werbetreibende Unternehmen wie Johnson & Johnson oder Home Depot sind natürlich vom Start weg mit von der Partie - die wollen einerseits gerne wissen, was ihr wichtigstes Klientel so umtreibt und andererseits das Medium als Werbeplattform nutzen.

Deutsche Seiten wie rund-ums-baby.de mit einer Milupa-Mütterberatung oder mama-tipps.de mit einem Link zu Umstandsmoden nehmen Bellissimama im Vergleich dazu noch echt bescheiden aus. Das wird sich ändern, denn in Sachen Marketing setzen Amerikaner den Standard. Dort geht es keineswegs nur um Windeln, Schnuller und Babybrei: be-jane.com - ein Online-Einrichtungsratgeber - plant ab Juli eine umfassende Mütter-Plattform. Kaboose betreibt Mütter-Webseiten von Toronto aus und hat der "New York Times" zufolge gerade babyzone.com gekauft. Der Haushaltswarenvertrieb LillianVernon.com wiederum startete Lilly's Kids als Plattform für Mamis, die online Spielzeug kaufen.

Egal was Mami denkt und tut - die langen Ohren des Marketings sind immer dabei. Die Ironie dabei ist: Je weniger Mütter und Kinder es bei sinkenden Geburtenraten gibt, desto mehr werden sie hofiert. Aber nicht, weil Knappheit ihren Wert steigert, sondern weil halt immer mehr Geld in die immer wenigeren Kids gesteckt wird. Wenn wir allerdings noch ein bisschen länger über Rabenmütter und die falschen Themen diskutieren, gibt's bald gar keinen Nachwuchs mehr. Da können dann nicht mal mehr die Blumenhändler was machen. Schönen Muttertag auch!

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