Bratwurst ist abgeschafft

Von Peter Littmann

Was man Angie nicht zutraut - das Land aus der Depression zu führen und die nationale Sorgenkultur ins Positive zu wenden -, das soll nun Klinsi richten. Wirtschaftsflaute, Geburtenrückgang, schlechte Noten bei Pisa - jede Unbill soll der Bundestrainer mit seiner Elf vergessen machen. Zur Weltmeisterschaft nagelt das Volk an jeden Baum einen Steckbrief: Helden gesucht! Das Land will sich als Heimstatt der "guten Deutschen" präsentieren, nicht nur als Hort der Sekundärtugenden, sondern auch des Humors und der Weltoffenheit.


In diese Stimmung fällt das Marketing - und knallt auf die Wucht des Siegeswillens, die Ansprüche an einen märchenhaften Erfolg als Gastgeber und die Hoffnung auf ein friedliches Miteinander. Alle drei Wünsche werden, ja müssen fast enttäuscht werden. Deutschland im Endspiel wie 1974 ist leider ebenso unwahrscheinlich wie die Hoffnung, dass der Rest der Menschheit plötzlich eine Leidenschaft für Currywurst und Respekt für Gelsenkirchen entwickelt. Und wenn wir im Zeitalter des Terrorismus mit ein paar Hooliganschlachten davonkommen, haben wir Glück gehabt.

Dank Fußball will nun jeder Weltmarke werden - auch nationale Förderer wie Hamburg-Mannheimer, Obi oder EnBW. Dennoch ist das gar nicht so einfach mit den Marken und dem Fußball - was nicht zusammengehört, wird auch nicht zusammenwachsen. Findet zumindest Rudi Assauer: "Nehmen wir die Marke Samsung, ich hätte kein Problem damit, sie auf das Schalke-Trikot zu schreiben. Aber was wäre los, wenn wir die Arena so nennen würden? Samsung-Arena in Gelsenkirchen - man hätte uns verprügelt."

Wenn die Fans nicht geneigt sind, einem Hersteller die Nähe zum Ball abzukaufen, wollen sie auch seine Produkte nicht, da hilft auch kein Megabudget. Im Gegenteil. Fifa-Präsident Sepp Blatter muss es wissen, immer mal wieder wird er in den Stadien ausgepfiffen, weil er wie kein Zweiter für die Vermarktung des Fußballs steht. Bei seinem Confederation Cup nervten die Marktschreier der Sponsoren derart penetrant, dass das Fanmagazin "Elf Freunde" titelte: "Holt euch das Spiel zurück!" Dank seiner Verträge mit McDonald's mussten die Fans im Stadion beispielsweise auf ihre Bratwurst verzichten. Das war vielen keineswegs wurscht.

Dieses Bohei war jedoch nur ein lahmer Vorgeschmack auf den kommenden Sommer: 15 offizielle Sponsoren und sechs nationale Förderer werden mehr als 1,8 Milliarden Euro für Kommunikationsmaßnahmen ausgeben.

In Befragungen von Unternehmen ohne Sponsoringrechte sagt jedes zweite, dass es Maßnahmen mit WM-Bezug geplant. Laut Schätzungen käme so noch mal ein Werbevolumen von mehr als fünf Milliarden Euro dazu. Wer nun gerade dabei ist, sich für den Antritt warm zu machen, sei allerdings gewarnt: Wenn die Kampagne zur WM nicht wirklich passt, sind alle Torchancen von vornherein vergeben.

Außerdem ist mit der Fifa nicht gut Kirschen essen. Um ihre Sponsoren zu schützen, musste in Frankfurt zum Confederation Cup gar ein Bauschild von Nike in Stadionnähe verschwinden. In Nürnberg mussten alle Geldautomaten überklebt werden, schließlich sind Adidas und die Postbank bei der Fifa am Ball. Sogar gegen Ferrero und die seit 1982 heiß geliebten Fußballsammelbildchen in Duplo und Hanuta ließ Blatter im Vorfeld der WM klagen.

Gegen die Juristen hilft nur cleveres Ambush-Marketing: Werbung aus dem Hinterhalt. Wie es geht, zeigt die Lufthansa. Sie hat einigen ihrer Langstreckenbomber eine Nase verpasst, die wie ein Fußball aussieht. Und die Fifa hat nichts zu meckern, schließlich wird kein Logo verwendet. Merke: Wer Charme und Hirn hat, braucht gar nicht so viel Geld.

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