Sherlock Holmes im Portemonnaie

Von Peter Littmann

Sammeln ist gut. Schnäppchen jagen ist besser - wie genial muss also erst die Verbindung aus den beiden Lieblingssportarten der Deutschen sein? Das Ergebnis dieser Überlegung sind 80 Millionen Kunden- und Rabattkarten. Jeder Landsmann schleppt statistisch von der Wiege bis zur Bahre mindestens ein so ein Ding durch die Gegend. Umfragen haben gar ergeben: Jeder fünfte Mitbürger ist bereit, mehr als sechs Karten in seinen Geldbeutel zu stopfen. Muss also was dran sein an den Biestern, die Leute sind ja nicht doof. Aber was?


An der glorreichen Vergütung der Sammelwut kann die Begeisterung jedenfalls nicht liegen. Mit einer der 27 Millionen Payback-Karten gibt es für 1 000 Punkte und Zuzahlung von 69 Euro Musicalkarten für "Mamma Mia!" in Hamburg. Da ist der Name ja wohl Programm. Für 2 070 Punkte kriegt der glückliche Verbraucher sechs Monate lang ein Abo von "Schöner Wohnen" und für 3 200 Punkte und 23 Euro Zuzahlung ein Wok-Set von WMF. Bei der Konkurrenzveranstaltung Happydigits kann der Verbraucher gegen 1 990 Punkte ein Waffeleisen eintauschen oder für 2 790 Punkte zwei Stöcke für Nordic Walking.

Faktisch sind das Preise wie zu Zeiten der großen Depression. Und richtig, die Verbraucherzentrale NRW meldete im Sommer, die Kartenbetreiber würden die Treue ihrer Kunden immer weniger belohnen. Als die Programme starteten, gab es zwei bis drei Prozent vom getanen Umsatz als Loyalitätsbonus. Jetzt sind es eher ein Prozent. Die Kartenbetreiber wehrten sich prompt, sie würden in der Summe genauso viel Rabatt ausschütten wie eh und je, nur gäbe es jetzt auf Kundenwunsch hin mehr Coupons und Sonderaktionen mit Rabatten von 30 Prozent auf einen Rutsch.

Dennoch wundert sich der nüchterne Betrachter: Wieso lassen sich die Leute für Spaghettiteller und geschmacklose Radiowecker bei jedem Einkauf von der Kassiererin fragen: "Hammse unsre Karte"?

Für die Kunden rechnet sich das nicht. Für wen dann? Die Ergebniseinbrüche im Handel waren auch deswegen so happig, weil dank der Kundenbindungssysteme auf Rabattbasis kaum ein Teil zum kalkulierten Preis über den Tresen geht. So soll das SB-Warenhaus Real 61 Prozent seines Umsatzes über Payback-Karten generieren, der Kaufhof 37 Prozent. Die Fachzeitung "Textilwirtschaft" rechnet vor, dass Kaufhof knapp 15 Prozent seines Ergebnisses auf Bonusprogramme gutschreibt. Das ist eine Menge Geld, und freiwillig tut Kaufhof-Chef Lovro Mandac das sicher nicht. Was kauft er sich mit dieser Summe?

Nun, bestimmt kein Waffeleisen und auch nicht wirklich die Treue der Verbraucher. Für die Unternehmen rechnen sich die Kundenkarten nur, wenn sie zu mehr Informationen über Einkaufsgewohnheiten führen und so eine zielgenaue Steuerung von Werbung erlauben. Ritschratsch, jedes Mal, wenn eine dieser Karten durch den Scanner gezogen wird, weiß die Datenbank hinterher genau, wer was wo kauft, wie oft und in welcher Menge.

Um diese Datenmassen zu bewältigen, wühlen sich Data Mining Programme durch die Konsumentenprofile. Wer öfter Sportartikel im Warenkorb hat, gilt als aktiv. Deswegen wird er bald Reiseprospekte kriegen. Wer offenbar des Lesens mächtig ist, wir per E-Mail aufgefordert, einem Buchclub beizutreten.

Dieselben Menschen, die nie im Internet einkaufen, weil sie ihre Kreditkartennummer angeben müssten, machen sich zum gläsernen Kunden und teilen via Kundenkarte mit, ob sie Unterhosen im Rippenstrick kaufen oder lieber Tigertangas. Die Zeitgeistkritiker, die beim Fernsehen umschalten, wenn die Werbespots starten, laden sich die Direktmails geradezu in den Briefkasten mit ihren munter benutzten Karten. Versteh einer dieses Volk!

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