Spüli mit Weihnachtszauber

Von Peter Littmann

Brauchen wir eigentlich Nougat mit Bergamotte-Geschmack, um zu genießen? Oder Lederhandschuhe mit Löchern drin und abgeschnittenen Fingern zum Autofahren? Oder eine Sprühflasche, um den 37 Jahre alten Balsamico auf den Wachtelzungensalat zu sprühen? Oder den drei Meter langen Plasmabildschirm, um das gleichmäßig schlechte Fernsehprogramm zu sehen? Oder diese komische Zitronenpresse von Designer Philippe Starck?


Andererseits - für 49 Euro ist das hochbeinige Teil geradezu ein Schnäppchen, liefert es doch gleichzeitig einen Wutanfall (mit dem Ding kann man alles Mögliche machen, aber ganz sicher nicht Zitronen auspressen) und Erkenntnisse darüber, was der Verbraucher sich alles zuzumuten bereit ist.

Je nach politischer Färbung und persönlicher Kreativität sind die meisten Beobachter der Meinung, dass die Leute zunehmend weniger Geld verkonsumieren, weil sie: a) keine Mittel mehr übrig haben, b) Garage, Dachboden und Keller schon mit unglaublichen Massen an Zeug voll gestopft haben und nichts mehr brauchen, c) Shopping schon als zeitintensives Hobby betreiben und der Tag nur 24 Stunden hat, d) einzusehen beginnen, dass die Welt im Müll untergehen wird, wenn jetzt auch noch Inder und Chinesen anfangen einzukaufen, als gäbe es kein Morgen.

Das sind alles gute und ehrbare Überzeugungen. Einen wichtigen Grund für die grassierende Konsumzurückhaltung jedoch ignorieren sie alle: Der Verbraucher ist von all dem Kram einfach nur verwirrt.

Wohl wahr: Es gab immer schon Produkte für die Normalsterblichen und eine Luxusversion für die gehobenen Stände - Autos und Rolls-Royce, Uhren und Jaeger-Le-Coultre, Mäntel und Zobel, Schnaps und Glenfiddich, Urlaub und Bora Bora.

Doch diese überschaubare Welt ist dahin. Neuerdings werden Alltagsprodukte aufgemotzt: Was einst nur nützlich zu sein hatte, wird als Statussymbol verkauft, und die im Herzen zutiefst praktisch veranlagte deutsche Ingenieursnation fragt sich ratlos, was das soll.

Gemeint sind Mineralwasser aus Neuseeland für acht Euro die Flasche, "intelligente" Turnschuhe mit einem Chip, der die Dämpfung einstellt für 250 Euro das Paar oder "Oh my dog!"- Parfüm für 28 Euro, das die Töle zum Duften bringt.

Liebend gerne würde man ja jetzt glauben, das mündige Konsumenten-Volk habe erkannt, dass wahre Schönheit nicht mit dem Auge zu erkennen, echte Befriedigung nicht mit Dingen zu erwerben und das Wesentliche nicht mit Geld zu bezahlen ist. Viel eher ist es aber so, dass Attribute wie "DVD/CDRW" oder "Li-Ion 3h 50m" beim Kauf von technischen Geräten einfach ermüden. Ständig muss man eigene Wissenslücken schließen, und bis die Kaufentscheidung dann endlich reift, gibt es schon wieder ein neues Modell mit abgedrehten Features.

Das gilt übrigens nicht nur für den Besuch beim Elektronikdiscounter. Wer will sich schon ständig zwischen Ylang- Ylang-Toilettenreiniger und Jasminduftsteinen entscheiden? Wer will ernsthaft darüber nachdenken, ob das Zeug, das früher einfach "Spüli" war, nach Mandarinen, Koriander oder Weihnachtszauber riechen soll?

Schon Ende der 90er-Jahre haben amerikanische Studien dargelegt, dass der Handel 20 bis 50 Prozent der Produkte aus dem Sortiment nehmen kann, ohne an Image einzubüßen. Vermutlich würden viele Konsumenten eine Vorauswahl sogar begrüßen und das Entfernen des Schnickschnacks als Kompetenz empfinden.

Das zumindest legt die Freude nahe, die viele Menschen beim Durchblättern des Katalogs von Manufactum erleben. Ein Klassiker neben dem anderen, nicht gerade billig, aber von bestechender Einfachheit und überzeugender Qualität. Kein Kokolores. Am anderen Ende der Preisskala funktioniert so übrigens auch Aldi: Ein begrenztes Sortiment und der Verbraucher atmet auf - weiß er doch genau, wo er dran ist.

Wenn also ein Handelsmanager auf einer Pressekonferenz mal wieder den mageren Geschäftsgang beklagt und dies im Wesentlichen mit der schlechten Wirtschaftslage im Allgemeinen und Viren in Vögeln im Besonderen begründet, ahnen wir: Genauso verwirrt wie der Kerl selber sind sein Sortiment und seine Strategie.

Und natürlich seine Kunden.

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