Wir sind ja nur so klein
Viele fürchten medizinische Vorsorgeuntersuchungen wie der Schneemann den Frühling. Es könnte ja etwas Negatives herauskommen. Und außerdem: Wenn die Ärzte etwas finden, ist es eh zu spät. Im Vergleich zum deutschen Mann über 45 ist ein Vogel Strauß mit dem Kopf im Sand ein wagemutiges Geschöpf.
Auch Marketingmanager stehen einem Audit zur Wirksamkeit der Marketinganstrengungen ähnlich entspannt gegenüber wie einem Besuch beim Zahnarzt. Ob ihre Werbemaßnahmen sinnvoll sind, wollen viele lieber nicht so genau wissen, besonders nicht in kleineren und mittleren Unternehmen.
Dabei wären Effektivitätsanalysen gerade bei Mittelständlern wichtig, die oft mit einem Liliputaner-Budget gegen Riesenmarken antreten. Denn wenn man die Widerstände überwindet und genauer bohrt, kommt raus: Zwei Drittel der Befragten meinen zwar, sie hätten ihre Ziele beim Bekanntmachen der Marke erreicht, gleichzeitig muss jedoch jeder Zweite zugeben, dass die angestrebte Umsatzsteigerung nicht stattgefunden hat. Insgesamt ist offenbar der Wunsch Vater des Gedankens.
Dabei tut eine vernünftige Analyse darüber, ob Geld intelligent ausgegeben wurde, überhaupt nicht weh und hilft besonders Unternehmen, deren Marketingbudget ein wenig kleiner ist als das von Coca-Cola. Wir wissen schon lange, dass die Hälfte der Werbegelder rausgeschmissen ist – aber was ist mit der anderen Hälfte?
Der zweite Schritt muss sein, den eigenen Markt genau zu definieren und sich ans Werk zu machen. In fast allen Wettbewerbssituationen gewinnt nämlich das Produkt oder der Service, mit dem der Verbraucher die besten Erfahrungen macht.
Es geht um das gekonnte Spiel mit den Erwartungen der Kunden. Wer auf einer Augenhöhe mit seiner Klientel agiert, kann sie flexibler, kreativer und persönlicher bedienen. Der Nachbarjunge David hat mit cleverem Marketing gute Chancen gegen einen anonymen Goliath.
Das gilt schon deswegen, weil es eines der Hauptprobleme der großen Marken ist, die Versprechungen aus den Werbekampagnen einzuhalten. Je breiter die Vertriebskanäle, je größer die Netze, desto schwieriger wird es, sicherzustellen, dass die Kunden das gewünschte Markenerlebnis mitnehmen. Denken wir an McDonald’s: Wie oft sieht der Burger tatsächlich aus wie der in der Werbung? Wie oft muss der Hungrige länger anstehen, als es der Begriff Fast Food verspricht? Wie oft wirkt der junge Mensch, der das Salz für die Fritten vergisst, als wäre er lieber auf dem Mars als im Bulettengrill? Big is not always beautiful.
Wer sich nur Megabrands anguckt, kommt leicht zu dem Schluss, dass Marketing ein Vermögen kostet und dass von daher nur global agierende Multis in der Lage sind, einen starken Auftritt hinzulegen.
Dahinter liegt die Wahrnehmung, dass eine Marke vor allem durch klassische Werbung entsteht. Das stimmt so nicht. Aufmerksamkeit in einem klar abgegrenzten Markt lässt sich auch durch Aktionen, Gratisproben, gut gestaltete Fahrzeuge, witzige Geschenke, Newsletter auf Papier oder online erreichen. Häufig wird übersehen, wie wichtig es ist, im lokalen Radio oder in der regionalen Zeitung als Unternehmer bekannt zu sein.
Überhaupt sind Public Relations eines der machtvollsten Werkzeuge zur Markenbildung. Wer es schafft, auf Grund von innovativen Produkten, zufriedenen Mitarbeitern, einem Betriebskindergarten oder einem Scheck für den örtlichen Fußballclub Berichterstattung in den Lokalmedien zu bekommen, tut mehr für seine Marke, als mit Anzeigen möglich ist. Body Shop, Compaq oder Starbucks waren übrigens in ihren Anfängen Marken, die zuvörderst von Journalisten gepriesen wurden – und nicht von Werbeagenturen.
Buchhändler dagegen gründen Leserclubs, Avon und Tupperware wurden durch das Engagement von Nachbarinnen bekannt, und kleinere Metzgereiketten veranstalten Kochkurse oder Weinproben mit den besten Winzern der Gegend.
All das setzt voraus, sich vom ewigen Minderwertigkeitskomplex "Wir sind ja nur so klein" zu verabschieden und Ideen zu entwickeln, die nicht die Welt kosten.
Ach ja, und wenn Sie damit fertig sind, sollten Sie mal zum Arzt gehen. Sicherheitshalber.