Schöne Grüße von Sir Francis
Siemens ist stark in Technologie, aber die Produkte haben es nicht geschafft, modischen Status zu erreichen", schreibt die englische Wirtschaftspresse.
Lang lebe die britische Kunst der Untertreibung! In der Tat, im Geschäft mit den Handys beispielsweise hat Siemens weder eine nennenswerte Innovation gestemmt, noch eine funktionierende Marke erschaffen, obwohl der Konzern viel Geld investierte. Keine wirklich neuen Ideen zum Produkt, kein gutes Marketing, kein konsequenter Markenaufbau. Als Folge der Misere blieb ein signifikanter Marktanteil ebenfalls im Reich der Träume.
Nun ging die Sparte an das taiwanesische Unternehmen BenQ. Damit ist bewiesen, dass "Größe" keinesfalls mit "Strategie" zu verwechseln ist.
Die Engländer wissen das übrigens schon lange, spätestens seitdem Sir Francis Drake mit ein paar wendigen Schiffchen die riesige, schlecht segelnde Übermacht der spanischen Armada zerschlug.
Die meisten Leute haben das nur vergessen. Ob Bank oder Buchverlag, ob Chemie oder Chipindustrie: Giganten dominieren die industrielle Landschaft, teilweise regiert von sich selbst optimierenden Mammut-Managern, die aus panischer Angst vor dem Scheitern nur zu gerne Neues boykottieren.
Deswegen erwarten Investoren in der Regel mehr Wachstum von kleineren Unternehmen. Leider haben sie damit häufig Recht – im Grunde steht der Größenwahn in vielen Branchen, der Risiken hoch und Chancen niedrig bewertet, für die wahre Krise des Kapitalismus.
James B. Lee beispielsweise, Vize-Chairman von J.P. Morgan Chase & Co., sagte nach dem Platzen der Dotcom-Blase: "Größer ist nicht besser. Größer ist absolut überlebensnotwendig." Damit beschrieb er die vermeintliche Logik des neuen Jahrtausends: Größe ist nicht das Resultat von Erfolg, sondern seine Voraussetzung. Soll heißen: Wer nicht die No-Names aus den Einkaufsstraßen zu drücken vermag, wer nicht das Letzte aus den Zulieferern herausquetschen kann und nicht allgegenwärtig genug ist, um den Planeten in Einheitsware zu ersäufen, hat in unserer Welt nichts mehr zu suchen.
Dabei begünstigen die sinkenden Transaktionskosten der Post-Dotcom-Ära längst kleinere, agile Unternehmen. Nehmen wir bloß die Bank des Herrn Lee: Im September 2000 – als Chase Manhattan den Zusammenschluss mit J.P. Morgan ankündigte – lag die Aktie bei 52 Dollar. Heute dümpelt das Papier der ungleich größeren, fusionierten Bank um 35 Dollar. Ähnliches gilt für die konkurrierende Verbindung aus Dean Witter und Morgan Stanley und für viele andere Großunternehmen wie Daimler-Chrysler.
Natürlich hat Gigantomanie auch Vorteile, die die Wissenschaft unter "Economies of Scale" zusammenfasst. Aber wenn die Komplexität eine gewisse Schwelle überschreitet, gelingt es den meisten Organisationen offensichtlich nicht mehr, Mut zum innovativen Marketing zu haben und die Produktionsmittel da zu konzentrieren, wo sie den meisten Wert schaffen. Am Ende sind ganze Geschäftsfelder leichte Beute für kleine, hungrige Unternehmen.
Das Ergebnis kann bei Siemens besichtigt werden: BenQ verdient sein Geld damit, Waren für Markenartikler herzustellen. Das eigene Endverbrauchermarketing steckt in den Kinderschuhen. Die Vermutung liegt also nahe, dass von den 4 000 Mitarbeitern der Siemens-Mobilfunksparte nur ein paar übrig bleiben werden. BenQ braucht bloß den Namen und vielleicht ein paar deutsche Ingenieure.
Ehrlich gesagt: Es ist eine Schande, wenn ein Konzern wie Siemens mit allen Ressourcen dieser Welt ein Zukunftsprojekt wie das Handy aufgibt. Das Mobiltelefon ist gerade dabei, das Produkt überhaupt zu werden, um das sich unser Leben dreht – vom Kommunikationshelfer bis zum Zahlungsvermittler.
Kurz: Größe bedeutet gar nichts, heute geht es um Intelligenz und das Tempo, mit der ein Management Innovationen vermarktet. Wie das aussehen kann, zeigt gerade Apple. Konsequent dreht Steve Jobs den Giganten in der Unterhaltungsindustrie, die den Musikdownloadmarkt längst für tot erklärt hatte, mit dem iPod eine lange Nase.
Sir Francis Drake lebt – und die Kapitäne der Armadas sollten besser mal anfangen, ihre Kanonen auf kleinere Boote zu montieren.