Snobismus von unten

Von Peter Littmann

Je nachdem, ob man sich die Haupt- oder nur die Zweitlinie des US-Designers Oscar de la Renta gönnt, kostet eines seiner Kostüme entweder 3 000 Dollar oder bloß 100. Und warum versaut der Mann sich sein Image mit Billigware, die ironischerweise auch noch unter dem Label "O Oscar" vertrieben wird? Ganz einfach, weil in dem 165 Milliarden schweren Prêt-à-porter-Markt ungefähr ein Viertel des Umsatzes auf teure Designerware entfällt. Rund 70 Prozent dagegen auf das moderate Mittelfeld. Also worum geht es hier? "Es geht immer um Geld", sagt de la Renta und grinst frech wie Oscar.


Billig ist nach wie vor in – aber billig alleine reicht nicht mehr. Heute heißt das Rezept "Schönes und Praktisches zu zivilen Preisen". Was auf diesen "Cheap Chic" setzt, floriert: Das geht von Cheap Fashion mit H&M und Zara über Cheap Travel mit Ryan Air und Hapag-Lloyd Express bis hin zu Cheap Living – mit Essen von Aldi auf Tellern von Butler.

Eine ganze Generation zwischen 25 und 40 ist mit MTV-Ästhetik aufgewachsen, auf Design versessen und einen Tick zu smart, um wirklich zu glauben, dass etwas schon deswegen gut ist, weil ein bekanntes Label und ein hoher Preis draufkleben. Und weil ihr Einkommen in diesen schwierigen Zeiten oft nicht das Niveau ihrer Ansprüche hat, sind Ebay-Auktionen und Bargain Hunting nun ihre beliebtesten Sportarten.

Witzigerweise entwickelt sich dort gerade eine Art Snobismus von unten: Wer die Marken kennt, die Qualität und gutes Design zu maßvollen Preisen anbieten, lacht über Leute, die 8 000 Euro für ein Sofa zahlen und dann nicht mehr in Urlaub fahren können. Die Apologeten des Billigchicks fühlen sich den Markenjunkies deutlich überlegen. In England beispielsweise ist das Mode-Magazin "Cheap Date" dermaßen in, dass sogar Modells wie Sophie Dahl oder Schauspielerinnen wie Anita Pallenberg dort vermelden, wenn sie eine neue Schnäppchenquelle aufgetan haben. Eine der Gründerinnen des Blatts – die selber ausschließlich secondhand kauft – brachte es gar auf die Liste der bestgekleideten Frauen in "Harper’s Bazaar". Für sie steht das Wort Luxus eigentlich nur noch für "überteuert und überbewertet".

Die Designer erkennen die Gefahr und steuern vorsichtig um. So bewarb Puma in England beispielsweise 500 Turnschuhe aus gebrauchten Textilien. Das Material dazu kam aus der Altkleidersammlung. Jedes einzelne Paar wurde handgefertigt und nummeriert und kostete 170 Pfund. Das ist zwar noch nicht ganz der Ansatz, den die Cheap Chicks lieben, aber die Idee geht in die richtige Richtung: Viel machen aus ganz wenig.

Doch das will gekonnt sein. So manch eine einstmals edle Marke ist mittlerweile versaut durch verfehlte Lizenz- und Vertriebspolitik. Ehemals klangvolle Namen wie Pierre Cardin, Yves St. Laurent oder Daniel Hechter sind heute dank tausendfach vertriebener Massenware nur noch ein Schatten ihrer selbst. Dazu sagt Karl Lagerfeld, der ja gerne mal ein Aperçu fabriziert: "Man lernt nur aus seinen Fehlern. Erfolg hat noch keinem geholfen."

Offenbar lernte er selber aus seinen Sündenfällen mit Quelle oder Steilmann, denn seine Kooperation mit Hennes & Mauritz war clever und entsprach genau dem Trend: Lange im Voraus angekündigt, gab es in einer einmaligen Aktion Lagerfeld exklusiv. Dieses Mal gab nicht ein Designguru nur seinen Namen in der Lizenzabteilung ab und ein Billigheimer schneiderte, sondern Karl zeichnete selbst, war sein eigenes Modell und das Gesicht in der Werbung.

Das Ergebnis war kein Etikettenschwindel, sondern eine Fülle an bezahlbaren und trotzdem echten Trophäen von des Meisters Hand – die binnen kurzem auch bei Ebay weiter versteigert wurden. Die "TextilWirtschaft" jubilierte, hier sei nicht die "billige Instrumentalisierung der Kampfkeule Preis" in Szene gesetzt worden, sondern eine intelligente Marketingleistung, die "Preis, Leistung, Erregung und Verführung" zusammen auf einen genialen Punkt bringe.

Solche Aktionen funktionieren natürlich nur ein Mal, denn ein Name bleibt nur dann ein Mythos, wenn er nicht allzu irdisch wird. Dennoch müssen sich jetzt die Marketingmenschen, denen zur Konsumflaute nur das Wort "Rabatt" einfällt, sagen lassen, dass ihnen eben nichts einfällt. Vielleicht sollte Oscar ja mal mit Karl reden?

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