Mehr drin als drauf

Von Peter Littmann

Konservierungsmittel, Stabilisatoren, Phosphat, Farbstoffe, künstliche Aromen . . . – man muss nicht gerade ein Gourmet sein, um nach einem Blick auf das Kleingedruckte so manch eines Angebots im Supermarkt auf dem Absatz kehrtzumachen. Zum Glück verbringt Deutschlands Verbraucherministerin Renate Künast einen Gutteil ihrer Zeit damit, Lebensmittelhersteller zu zwingen, uns zu sagen, was sie so alles in die Wurst rühren.

Bei vielen anderen Dingen wüssten wir auch gerne, was in ihnen steckt. Bei unseren Autos beispielsweise. Wir entscheiden uns ganz emotional für einen VW, BMW, Mercedes oder einen japanischen Flitzer und vertrauen der Marke. Dabei steckt heute selbst in einem Daimler längst nicht mehr nur Daimler. Stattdessen Produkte von Delphi, Visteon, Denso oder Magna. Hinter diesen Namen stehen milliardenschwere Zulieferkonzerne aus der Autoindustrie, die der durchschnittliche Autofahrer nicht kennt, obwohl er im wörtlichen Sinn auf ihren Produkten hockt.

Wir leben in einer hoch arbeitsteiligen Welt, in der viele hochwertige Produkte und Dienstleistungen den Endverbraucher erreichen. Doch der nimmt es meist überhaupt nicht wahr. Das stellt viele Zulieferer vor neue Fragen: Legen die Kunden Wert auf ihre Produkte? Oder bedeutet Anonymität am Ende dasselbe wie Austauschbarkeit?

Das führt zu weiteren Fragen: Sollte ein Konzern, der keinen Kontakt zu Endverbrauchern hat, überhaupt Geld in die Werbung stecken? Und wenn ja, wie lässt sich damit das gewünschte Resultat erzielen – nämlich eine eigene Marke? Und was bringt das – eine Marke im Business-to-Business- Bereich?

Die Geschichte von Intel gibt bedenkenswerte Antworten. 1991 kannten nur 24 Prozent der europäischen Heimcomputer-Käufer diesen Namen. Inzwischen klatschen rund 2 700 Computerhersteller weltweit die Vignette "Intel inside" auf ihre Rechner, und 90 Prozent der Leute wissen, was das bedeutet.

Bereits ein Jahr nach dem Start der begleitenden Werbekampagne hatte der Chiphersteller seinen Gewinn nach eigenen Angaben um 63 Prozent gesteigert. Heute spielt Intel markentechnisch in derselben Liga wie Disney oder Microsoft.

Gore-Tex oder Lycra bei Bekleidung, Nutra-Sweet oder Tetra Pak bei Getränken, Teflon bei Kochgeräten oder Shimano bei Fahrrädern – ihnen allen ist es nicht gelungen, unter die Top-Marken der Welt vorzudringen. Dennoch verhilft auch ihnen so genanntes "Ingredient Branding" zu netten Bekanntheitsgraden – und noch netteren Umsätzen. Der Begriff bedeutet nichts weiter, als dass sie ihr Produkt als wesentliches Teil eines Endprodukts bewerben und so eine eigenständige Marke entwickeln. Meist geschieht dies in enger Absprache mit ihren Firmenkunden.

Außer dem segensreichen Effekt für die Unverwechselbarkeit, die oft auch die Margen im Vergleich zum Wettbewerb kräftig aufbessert, kann intelligentes "Ingredient Branding" noch echte Effizienzsteigerung erzielen: Zulieferer und Hersteller können unter Umständen auch die Kosten für Forschung und Entwicklung, Produktion und Vertrieb teilen und sich gegenseitig Zugriff auf bisher ungenutzte Vertriebskanäle verschaffen.

Allgemein gesagt: "Ingredient Branding" hilft beiden Partnern vor allem dann, wenn das gastgebende Logo neu und nicht sehr bekannt ist, wenn seine Technologie sehr kompliziert ist oder wenn das Gastlogo durch eine Produktinnovation einen echten Qualitätsvorteil verspricht.

Doch leider hat auch "Ingredient Branding" seine Tücken. Der Marktführer für Schokoladenkekse in den USA ließ beispielsweise aufwendig testen, ob es sich lohnte, Marken-Schokolade zu verarbeiten und das zweite Logo mit auf die Packung zu nehmen. Die Verbraucher reagierten überraschenderweise vermufft: Sie hatten sowieso erwartet, dass der Marktführer nur die besten aller Inhaltsstoffe für seine Kekse verarbeitet.

Ein anderes Problem könnte langsam "Intel inside" bekommen, sozusagen erfolgsinduziert, und zwar durch seine Überdistribution. Was alle haben können, wird trotz Innovation unweigerlich etwas Gewöhnliches. Für eine Differenzierung der besten Hersteller reicht es dann nicht mehr aus.

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