Lieber wohlriechend als très chic
Die Wissenschaft dringt immer weiter ins Unbekannte vor, doch einige Rätsel bleiben ungelöst. Warum ist nach dem Waschgang oft nur eine Socke übrig und wohin geht ihr Kamerad? Wieso tragen die Mädchen mit den dicksten Beinen die kürzesten Röcke und wer holt die grässlichen Leggings immer wieder aus der modischen Versenkung?
Und schließlich: Warum nimmt die Zahl der Übergewichtigen ständig zu, wo doch immer mehr Leute auch im Alltag Sportbekleidung tragen?
Pumas, Swoosh-Haken und Streifen springen inzwischen nicht mehr nur im Stadion oder Fitness-Studio herum, sie haben längst auch Büros, Restaurants und Theater erobert. Es gab Zeiten, da waren auf der Hauptstraße getragene Adiletten plus Flugseide-Trainingsanzug ein Synonym für ungelernt, ungelenk und ungewaschen. Inzwischen jedoch sitzt sogar gelegentlich einer in Sportswear in der Oper und sieht dabei kein bisschen weniger musikalisch gebildet aus als sein Nachbar im dunklen Anzug.
Das Imperium schlug nämlich zurück: Da die Sportausrüster den klassischen Bekleidungsmarken immer mehr Marktanteile abnahmen, wandern die Modeleute nun eben auch auf sportlichen Pfaden. Die französische Luxusgruppe Pinault-Printemps-Redoute ist gleich bei Puma eingestiegen, andere entwickeln eben selber sportliche Linien. Die Anziehungskraft von Schweißbändern, Trikot und Funktionswäsche auf High-end-Marken ist schnell erklärt: Der Sportswear-Markt liegt im Trend: Marktforscher von Mintel beobachten, dass sich 60 Prozent aller Leute zwischen 25 und 34 auch im vergangenen Jahr mindestens ein paar Turnschuhe kauften. Jeder Dritte aus der Gruppe gibt an, Sportswear regelmäßig mit formaler Kleidung zu mischen.
Das motiviert: Calvin Klein lochte eine Golf-Kollektion ein und bei Dolce & Gabbana gibt es nicht nur Turnschuhe, sondern inzwischen auch Sweatshirts für 290 Euro, die ganz genau so aussehen wie das Oberteil des oben erwähnten Flugseide-Outfits von Annopipendeckel. Chanel offeriert neuerdings Ski und Snowboards, um die schon länger erhältlichen Pisten-Overalls und Schneestiefel zu ergänzen. Wer wirklich auffallen will, besorgt sich eine Chanel-Tasche für Angler – angeblich passt da auch eine erstklassige Rute hinein. Das Wurmdöschen im typischen gepolsterten Look kann mit jedem Kosmetiktäschchen mithalten. Wer schlechte Laune hat, kauft sich Stilettos von Gucci, wer relaxen will, die Yogamatte aus dem gleichen Haus und Abenteurer greifen zum Gucci-Surfboard. Dabei bitte das Badetuch von Hermès nicht vergessen, alles schön in die sportliche „Carryall“ von Luis Vuitton packen, aufs Fahrrad von Armani setzen und ab geht die Post... in die nächste Kneipe.
Denn das einzige, was mit diesem Outfit trainiert wird, ist die Kreditkarte. Wird der Aufschlag tatsächlich besser mit einem Tennisschläger von Chanel? Muss wirklich ein Stella McCartney-Outfit her, um gelegentlich hinter dem Bus her zu rennen? Wer wirklich trainiert, müffelt nämlich genauso nach Schweiß in Dolce & Gabbana wie in Cheap & Awful. Wer schon mal neben der Konkurrenz in Nylon oder Lycra an einer Startlinie stand, weiß wovon die Rede ist: „Igitt, der stinkt!“ Daher sind Designinitiativen gefragt, die sich auch mit der olfaktorischen Qualität der Sportswear beschäftigen, nicht nur mit der ästhetischen. Die typischen Materialien zum „Schweißmanagement“ der Athleten sind nämlich synthetisch – und Kunstfaserwäsche müffelt nun mal. Daher begannen die Hersteller von „base lawyers“ - so heißt moderne Sportwäsche – schon vor einiger Zeit, antimikrobielle Substanzen wie Triclosan oder Silber einzusetzen.
Interessanterweise führt nun all die Materialforschung nach bakterienarmer und daher vom Mief befreiter Ausrüstung doch lieber zurück zur Natur. Die jüngste Generation an Turnerleibchen setzt auf organische Materialien. Cocona, Arc'teryx, Wolverine oder Patagonia verwenden Karbon aus den Schalen von Kokosnüssen, Bambus oder marinen Krebstieren. Das gute alte Tier ist überhaupt wieder angesagt: Icebreaker setzt auf Merino, denn Wolle ist von Natur aus antibakteriell; Silkbody produziert ein komfortables Seidenmischgewebe. Die Kunstfaser-Konkurrenz jedoch schläft nicht: Hersteller wie Odlo oder X-Bionic erforschen den Einsatz von Nanotechnologie, um den Mief physikalisch zu binden. Kurz: Der Markt ist in Bewegung und wer es ihm gleichtun will, ist mit Sportswear vom Experten erstklassig bedient. Mit den sportiven Designerleibchen kann man dann immer noch in die Oper gehen.