Men à la mode und Must-have um Mitternacht

Von Peter Littmann

Meisterlich fotografiert tragen die Models in den Hochglanzmagazinen Handtaschen vor sich her und halten ihr sonnenbebrilltes Gesicht ins kunstvoll gesetzte Licht. Es gibt Labels, die für eine Fotoproduktion 400 000 Dollar ausgeben. Enorme Verrenkungen, um eine Marke zu präsentieren, sind in der Luxuswarenbranche normal und manifestieren sich auch in millionenteuren Flagshipstores an den Einkaufsmeilen der Welt. Große Namen wie Prada, Chanel oder Louis Vuitton erfordern ein großes Shoppingerlebnis. So weit die Theorie.


Dann gibt es noch die Praxis, und die heißt immer mehr Internet. Als die Webwelt entstand, sah die Luxusindustrie sich fassungslos um, denn online macht es nicht wirklich einen Unterschied, ob Ralphlauren.com auf dem Schirm ist oder Lacoste.com. Ein Polohemd sieht auf dem Monitor aus wie das andere, und die Labels sind kaum zu erkennen. Entsprechend vornehm blieb die Zurückhaltung in Sachen Virtuellvertrieb bei den Edelherstellern. Internet galt ihnen weitgehend als Ramsch-Veranstaltung, die man den Versandhäusern überlassen kann.

Der Handel indes umgarnt mit Sites wie Net-a-porter.com oder Neimanmarcus.com die Käufer heute höchst erfolgreich. Angesichts dieser Beispiele nehmen nun auch die Nobeldesigner zur Kenntnis, dass die Party-Generation - die es gewohnt ist, zu jeder Uhrzeit online Bücher, Musik oder gleich ganze Reisen zu kaufen - es vorzieht, eine Handtasche oder einen Mantel online zu ordern, anstatt sich persönlich während der offiziellen Öffnungszeiten in einen Shoppingpalazzo zu begeben.

Ein Grund dafür mag sein, dass viele Frauen sich für den Kauf eines sündteuren Must-Have offenbar erst Mut antrinken: Modeseiten verzeichnen ihren Orderhöhepunkt häufig gegen Mitternacht.

Männer wiederum bestellen Luxuswäsche für die Liebste gerne online, angeregt durch die vielen schönen Bilder. Ältere Herrschaften ordern ebenfalls viel per Mausklick, denn sie wissen häufig genau, was sie wollen. Diese Haltung schlägt sich in Zahlen nieder: Das amerikanische Luxus Institute kommt zu dem Ergebnis, dass 38 Prozent der Konsumenten auch edle Fräckchen lieber online kaufen, während nur 33 Prozent sagten, sie bevorzugten das Ladengeschäft.

Parallel dazu beweisen beispielsweise 20ltd.com oder Couturelab.com, dass Luxus online super-elitär sein kann. Letzteres ist ausschließlich Mitgliedern zugänglich: Wer wissen will, was diese Fashion Victims umtreibt, muss sich bewerben und auf Zutritt hoffen. Bei 20ltd hingegen gibt es jeweils 20 Produkte in geringer Stückzahl nur dort zu kaufen: Derzeit sind etwa Ohrringe in Gold und Kastanienholz zu haben, 20 Paar zu je 2 500 Euro. Erstaunlich, wie viel Geld die Leute für Dinge hinlegen, die sie nur auf dem Laptop gesehen haben.

Diese Erfahrungen brachte vorher abstinente Labels wie Gucci, Dior oder Dunhill dazu, zumindest ihre Accessoires auch online zu vertreiben. Nachgeholfen haben Sites wie Style.com. Von "Vogue" und "W" gemeinsam betrieben, können sich die Luxusanbieter hier nicht nur im Hochglanz zweier Modemagazine sonnen, sondern sich auch Hilfe holen für den eigenen Webauftritt. Das Management von MAC Cosmetic war gar so angetan von der Präsentation seiner Marke bei Style.com - Lippenstifte, die "Viva Glam" quer über den Bildschirm schreiben -, dass es den Look für die eigene Seite kopierte.

Viele Edelbrands allerdings erliegen nun der Versuchung, auch im Netz besonders hochwertig rüberkommen zu wollen. Das führt meist zu elaborierter Grafik, die den Nutzer eigentlich bloß nervt. Wer online shoppt, sucht Bequemlichkeit und keine ehrgeizig hopsenden Bilder. Am Ende zeigt sich: Eine aktive Homepage - egal, wie gut oder schlecht - kann eine Luxusmarke weder machen noch zerstören. Ist sie popelig, wird sie ignoriert, ist sie gut, wird sie Geschäft machen und die Marke stützen.

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