Marketing muss weiblicher werden

Von Peter Littmann

Kunst, die nur das Leben widerspiegelt, ist flach. Und Kunst, die völlig losgelöst vom Leben stattfindet, ist erst recht langweilig. Der Grad dazwischen ist ein schmaler.


Ähnliches gilt für gutes Fernsehen. Nur wenn die Mischung aus Fiktion und Fakten stimmt, entsteht eine Kultserie wie "Sex and the City". Carrie, Miranda, Samantha und Charlotte sind inzwischen zwar beurlaubt, dennoch beeinflusste bisher keine Serie das Selbstverständnis der Frauen stärker, als dieses Quartett. Das Stuttgarter Institut für Rationelle Psychologie stellte fest, dass 66 Prozent der weiblichen Fans der Serie ein stärkeres Körperbewusstsein entwickelten.

Mehr als jede zweite Zuschauerin stellt nach eigenen Angaben neuerdings höhere Ansprüche an ihren Partner und masturbiert häufiger. In manchen mit der Serie bespielten Märkten - wie beispielsweise dem der Schweiz - sind die Kunden der Sexshops neuerdings zu 50 Prozent weiblich, was zu einem Umsatzplus von 30 Prozent führte. Aus männlicher Sicht haben zum Glück auch 47 Prozent der "Sex and the City"-Konsumentinnen mehr Sex.

Dies könnte der marketinginteressierte Mensch nun diskret unter "Privatsache" verbuchen. Dann ginge ihm aber ein dringend notwendiger Aha-Effekt durch die Lappen. Denn: Wenn sie Frauen intelligent ansprechen, können medial versandte Botschaften bei den Damen gewaltige Wirkung entwickeln.

Manolo Blahniks Schuhe - für rund 400 Dollar das Paar - wurden zu Kultobjekten, nachdem die vier Ladys das Wort "Stil" zu "Stiletto" umfunktionierten. Ein rosa Ballkleid aus dem Hause Oscar de la Renta, das Carrie in einer der letzten Folgen spazieren trug, wurde zum Renner der Saison. Ob Seifenoper oder TV-Spot: Wer Frauen Geschichten erzählt, mit denen sie sich identifizieren können und die sie zum Träumen anregen, findet neben dem Weg in ihre Herzen auch den in ihre Geldbeutel. Frauen kaufen 70 Prozent aller Konsumartikel. Das Publikum vieler Unternehmen ist also vorherrschend weiblich. Doch zeigt ein Blick in die Führungsetagen der Werbeagenturen hauptsächlich männliche Gesichter. Von den großen globalen Kreativschmieden wird nur Ogilvy & Mather Worldwide von einer Frau geführt.

Mit Ausnahme von Karen Heumann bei Jung von Matt bestimmen auch bei uns Anzugträger das Geschehen in Agenturen und Marketingabteilungen. Bei Procter & Gamble, Hersteller von Babywindeln, Make-up und Tampons, sitzen nur zwei Frauen im sechzehnköpfigen Top-Management.Die üblichen Verdächtigen im Marketing sind Männer - vielleicht scheitern deswegen 90 Prozent aller Produktneueinführungen bei dem Versuch, als Brand zu reüssieren.

Es geht hier nicht um Fairness und Vielfalt, es geht um Erfolg: Catalyst, eine US-Organisation, die sich mit Frauen im Management beschäftigt, hat herausgefunden, dass es eine enge Korrelation zwischen Frauen in Entscheidungsfunktionen und der finanziellen Potenz eines Unternehmens gibt. Unter den 500 größten börsennotierten US-Unternehmen stehen diejenigen wirtschaftlich am besten da, die es zu einem signifikanten Frauenanteil im Management gebracht haben.

Das sollte Markenartiklern zu denken geben: Kaufkraft ist weiblich. Nichts liegt also näher, als Frauen anderen Frauen die Story eines Brands nahe bringen zu lassen. Deswegen wäre es auch hoch an der Zeit, dass Agenturen und Marketingabteilungen weiblicher werden.

Frauen reden gerne, oft und ausdauernd über Beziehungen. Viele von uns finden das im persönlichen Leben ätzend, beruflich gesehen jedoch ist die weibliche Lust an Kommunikation ein echtes Asset. Denn was ist Markenmanagement anderes als Beziehungspflege? Wenn drei Tage nach einer TV-Folge, in der Schlafzimmer-Spielzeug eine Hauptrolle spielt, die dort gezeigten Luxus-Dildos ausverkauft sind, können wir das als Privatmänner bedauerlich finden, als Geschäftsmännern sollte es uns zu denken geben.

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