Der Stern im Schumi-Fieber

Frankfurter Allgemeine Zeitung

Von Susanne Preuß

Es gibt sie noch, die Kritiker. Jürgen Pieper beispielsweise, Analyst beim Bankhaus Metzler, sieht das Formel-1-Engagement von Mercedes skeptisch: „In diesen Zeiten sollte man sein Geld zusammenhalten und außerdem ökologisch sensibel agieren. BMW hat mit seinem Ausstieg aus der Formel 1 angemessener gehandelt.“

Aber je näher der Saisonstart rückt, desto leiser werden Kritiker. Denn das Spektakel hat in der deutschen Wahrnehmung eine neue Dimension bekommen. Wenn am Sonntag um 13.00 Uhr in Bahrein der Rennwagen mit dem nüchternen Namen MGP W01 am Start steht, ist das eine hochemotionale Angelegenheit von nationaler Bedeutung – weil die Chancen nicht schlecht stehen, dass Michael Schumacher im Mercedes-Silberpfeil einen Erfolg made in Germany einfahren wird. Von einer „Nationalmannschaft des Motorsports“ spricht sogar Daimler-Konzernchef Dieter Zetsche: „Die neuen Nationalfarben sollten Schwarz, Rot, Silber sein.“ Und der sonst so nüchterne Ingenieur räumt ein: „Ich habe noch nie einer Saison so entgegengefiebert.“ Sein Flug nach Bahrein ist längst gebucht wie auch der von Forschungsvorstand Thomas Weber.
Auch Khadem Al Qubaisi wird mit Zetsche in der Mercedes-Loge sitzen. Der Chairman des Daimler-Großinvestors Aabar aus Abu Dhabi hat im vergangenen Jahr zwei Milliarden Euro auf den Stern gesetzt, als mitten in der Krise kaum mehr einer dem Autokonzern aus Stuttgart eine glorreiche Zukunft zutraute – und von Anfang an hat Al Qubaisi bekannt, dass er auch als Autonarr gehandelt hat. Als sich für Mercedes im Herbst die Chance auftat, mit der Übernahme des Rennstalls Brawn endlich wieder Silberpfeile auf die Strecken zu schicken, hat Al Qubaisi dafür noch einmal die Geldbörse geöffnet.

„Was sollen wir stänkern, wenn alle Welt im Schumi-Fieber ist“

Die Daimler-Belegschaft hat sich offenbar längst anstecken lassen vom Formel-1-Fieber. Zwar hat der Betriebsrat reflexartig einen Aufschrei verbreitet, als der Kauf des Rennstalls bekannt wurde. Immerhin ächzt die Belegschaft seit dem vergangenen Jahr unter einem Sparprogramm, das nicht nur die Lohntüte dünner werden lässt, sondern auch das Alltagsleben unbequemer. Da kommt es erst einmal nicht gut an, wenn die Millionen für die majestätische Sinnlosigkeit eines Formel-1-Zirkus nur so fließen. Im Betriebsrats-Blog schrieben sich spontan Dutzende von Mitarbeitern den Ärger von der Seele. Inzwischen aber sei diese Art der Geldverschwendung kein Thema mehr, wie eine Betriebsrätin einräumt: „Was sollen wir stänkern, wenn alle Welt im Schumi-Fieber ist.“


„Wir sind alle gespaltene Persönlichkeiten“, versucht Markenexperte Peter Littmann dem Phänomen Formel 1 auf die Spur zu kommen: „Wir wissen genau, was gut und richtig ist, aber unsere Emotionen lassen sich nicht so steuern. Die Formel 1 entwickelt weltweit so viel Kraft, dass rational richtige Bedenken an Bedeutung verlieren.“ Trotzdem versucht man bei Daimler die Einwände mit sachlichen Argumenten zu zerstreuen. Beim Thema Ökologie zum Beispiel mutiert Zetsche doch wieder zum Zahlenmenschen, und er rechnet haarklein vor, dass die ganze Formel-1-Saison inklusive aller Testfahrten nicht mehr Kraftstoff verbraucht als eine Boeing 747 bei einem einzigen Transatlantikflug. Und je nach Betrachtungsweise bekommt die Formel 1 sogar einen grünen Anstrich. Weil nach dem neuen Reglement die Boliden nicht mehr nachgetankt werden dürfen, spiele die Effizienz der Motoren eine größere Rolle als bisher, lautet das Argument.
Auch mit Blick auf die Finanzen will sich Zetsche keine Vorhaltungen machen lassen. Detaillierte Zahlen gibt es zwar nicht, aber klare Hinweise darauf, dass die Übernahme des Brawn-Rennstalls deutlich weniger gekostet hat, als durch den Verkauf des Anteils an McLaren hereinkam. Außerdem wird in Stuttgart gern ausführlich erklärt, dass die Formel 1 wegen der vorgeschriebenen Budgetbegrenzungen heutzutage viel billiger ist als in den alten Zeiten der Materialschlachten. Die laufenden Kosten fürs Team (darunter das Jahresgehalt Schumachers von angeblich sieben Millionen Euro) würden ohnehin von den Sponsoren übernommen. Allein der Hauptsponsor Petronas gibt dem Vernehmen nach rund 50 Millionen Euro jährlich.


„Die Formel 1 macht die Marke sexy“


Die wichtigsten Zahlen für die materielle Betrachtung steuert indes die Daimler-Marketing-Abteilung bei, die in sogenannten Werbeäquivalenzwerten misst, was die neue Silberpfeil-Ära dem Konzern bringen könnte: Je mehr Aufsehen, desto mehr Medienpräsenz, lautet die einfache Logik, und für die Formel 1 reicht diese von der Tageszeitung bis zum Internetblog: Der neue Mercedes-Rennstall mit seinem Helden Michael Schumacher war selbst den Hauptnachrichten im deutschen Fernsehen einen ausführlichen Beitrag wert. Das Merian-Magazin wirft zum Saisonstart der Formel 1 ein Sonderheft auf den Markt. Und wenn Boris Becker oder der Schauspieler Clive Owen (Sin City, Inside Man) in Bahrein in der Mercedes-VIP-Lounge sitzen, ist das für die Klatschpresse wunderbares Futter.
Glanz und Glamour sollen letztlich auf die Marke Mercedes abstrahlen, so das Kalkül, und natürlich soll sie mit den Attributen aufgeladen werden, die man mit der Königsklasse des Motorsports mehr oder weniger intuitiv verbindet: sportlich, dynamisch und jung, wagemutig, verwegen und abenteuerlich, aber zugleich auch sicher und perfekt und vor allem: erfolgreich. „Die Formel 1 macht die Marke sexy“, fasst Littmann all das zusammen. „Das Tolle ist, dass es nicht nur die langfristigen Effekte geben wird. Mercedes wird auch ganz kurzfristig Erfolge verbuchen“, erwartet Littmann, der in den neunziger Jahren als Vorstandschef des Formel-1-Sponsors Hugo Boss das Motorsportgeschäft aus der Nähe betrachtet hat.

Daimler-Chef Zetsche bleibt mit seiner Erwartungshaltung eher im Grundsätzlichen: „Marken und Verkaufserfolg sind sehr stark psychologisch bestimmt.“ Die Erkenntnis gilt freilich auch für den Fall des Scheiterns. „Wenn wir längere Zeit hinterherführen, wäre das eine Katastrophe“, sagt ein Manager, der seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen will, fügt dann aber schnell hinzu: „Unser Motor ist eindeutig der beste im Feld.“ Zuversicht ist Pflicht in diesen Zeiten bei Daimler, denn der Chef legt vor: „Man kann Erfolge in der Formel 1 nicht einplanen“, räumt er mit Blick auf Schumachers Dreijahresvertrag ein: „Aber ich bin Optimist. Ich glaube fest daran, dass wir den Titel während dieser drei Jahre gewinnen.“

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