Nix Neues im Osten

Von Peter Littmann

Ein "Anschlag auf den Einheitsgeschmack" will Karo sein. Zumindest behauptet das der Slogan, mit dem die alte DDR-Zigarettenmarke heute wirbt. Ein anderer Arbeiter-und-Bauern-Glimmstengel trommelt trotzig: "Ich rauche Juwel, weil ich den Westen schon getestet hab'."

Die emotionale Botschaft hinter diesen Auftritten lautet: Das hier ist eine Marke von uns, die wie wir auch nicht zum Wessi mutieren will. So feiert im neuen Teil der Republik heute Nudossi, das Ost-Nutella aus Radebeul, wieder ähnliche Erfolge wie die Halloren-Sahnecreme-Kugeln aus Halle oder das Fit-Spülmittel aus der Oberlausitz.
Die Anziehungskraft dieses Retro-Trends ist auch den Handelskonzernen nicht entgangen: Plus hat inzwischen 132 Ostprodukte im Sortiment für die neuen Länder, die Metro gar 2000. So genannte Ossiläden, die nur alte DDR-Marken verkaufen, gibt es nicht mehr nur jenseits der Elbe, sondern auch in München oder Stuttgart - wo sich heute die eindecken, die seinerzeit nichts Eiligeres zu tun hatten, als der SED und ihren Schergen zu entkommen.
Verdrängt ist auch die Test-the-West-Phase direkt nach dem Mauerfall, als Abertausende aus der "Zone" in den Westen strömten und Freiheit vor allem als die Freiheit zum Kauf von Jeans, Farbfernsehern und Gebrauchtwagen verstanden. Und damit die eigenen Arbeitsplätze ruinierten: Schließlich stellten sie selbst die Produkte her, die sie jetzt nicht mehr haben wollten. Was ihnen die Wessis auch nicht übel nehmen konnten, der DDR-Fön "Gnom" beispielsweise wog drei Kilo!
Inzwischen erleben wir erneut ein Plebiszit mit dem Einkaufskorb, diesmal jedoch zu Gunsten des untergegangenen Staates in Form von Zetti-Knusperflocken, Club-Cola und Florena-Kosmetik. Die Nostalgie ist so verbreitet, dass eine Ostfirma bereits über Plänen für einen DDR-Freizeitpark brütet: Das Eintrittsgeld soll Zwangsumtausch heißen, bei Zutritt gilt es eine Grenzkontrolle zu bestehen.
Lächerlicherweise übersehen die Ostalgiker dabei nicht nur die Menschenfeindlichkeit des alten Systems, sondern auch, dass viele Produkte nur noch dem Namen und dem Logo nach aus dem Osten sind. Ihre Hersteller wurden längst von Westfirmen übernommen. Die Spreewaldgurken sind von einem niederrheinischen Apfelmushersteller aufgekauft, den Nordhäuser Korn verkauft heute Eckes. Das Waschmittel Spee gehört zu Henkel, Florena zu Beiersdorf.
Ebenso ignorieren die Ost-Apologeten, dass sie mit den Ostprodukten Objekte verehren, die schon ihren Entwicklern peinlich waren. "Das traurige Kapitel Pkw hat seinen Höhepunkt im Trabant 1.1 gefunden", sagt einer der Chef-Ingenieure im Rückblick. "Es ist uns wie befohlen gelungen, mit außerordentlich hohem Aufwand ein ungewöhnlich unbefriedigendes Ergebnis zu erzielen." Das hindert eine Gruppe aus der heute Sachsenring Fahrzeugtechnik heißenden Gruppe nicht, das Plaste-Auto als Basis für die Entwicklung eines neuen, billigen Gefährts zu nehmen. Es soll nur 3000 Euro kosten und unter dem Namen "Africar" Menschen in der Dritten Welt erfreuen.

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