Konsumforschung im Kernspintomografen

Von Peter Littmann

Kokain, Sex und Geld wirken im Gehirn an derselben Stelle. Im sogenannten Nucleus accumbens, wo auch Alkohol und Nikotin Glücksgefühle auslösen. Starke Marken machen offenbar auch besoffen: In der Radiological Society of North America hielt man Probanden Abbildungen von bekannten Brands vor Augen, und der für Belohnung und Vergnügen zuständige Hirnteil reagierte prompt.

Angeblich gab es schon Untersuchungen, bei denen Forscher Affen die Möglichkeit gaben, ihren Nucleus accumbens selber zu stimulieren. Die armen Viecher taten nichts anderes mehr, bis sie vor Erschöpfung umfielen. Da freut sich der Werber! Wäre doch toll, wenn man den Affen-Trick auch mit Menschen machen dürfte: Die würden dann shoppen, bis der Arzt kommt.


Der Blick ins lebende Hirn gelang den Forschern schon vor einigen Jahren. Mittels funktioneller Magnetresonanztomografie lässt sich abbilden, welche Teile des menschlichen Gehirns auf welche Sinneseindrücke aktiv reagieren. Oder eben nicht: Wenn Menschen ein Sonderangebot sehen, schaltet sich eine Kontrollregion im Gehirn aus. Ob geiler Geiz und Schnäppchenjagen daher doof machen, ist bislang ungeklärt, bekannt ist jedoch, dass sich in der Folge dieser Erkenntnisse Konsumforschung im Kernspintomografen zum Modethema auswuchs. Schließlich floppt nach wie vor die Hälfte aller Produkteinführungen, und wo die konventionelle Marktforschung versagt, muss jetzt eben die Hirnforschung her. Als Erstes kam der berühmte Cola-Test auf den neuronalen Prüfstand: Warum gewinnt in der Blindverkostung immer Pepsi - werden die Labels jedoch enthüllt, liegt Coca-Cola in der Gunst der Leute vorn? Der Kernspin zeigt: Der Geschmack von Pepsi regt das Lustzentrum stärker an, die Marke Coke jedoch aktiviert den medialen präfrontalen Cortex, wo die Selbstwahrnehmung des Menschen angesiedelt ist.

Als eines der ersten in Deutschland finanzierte das Unternehmen, das damals noch Daimler-Chrysler hieß, eine Testserie. Professoren an der Universität Ulm spielten autobegeisterten Männern im Kernspintomografen abwechselnd Bilder von Renn- und Kleinwagen vor. Wie zu erwarten, reagierte nur beim Anblick der Rennschlitten der Nucleus accumbens. Aber brauchten wir dafür wirklich ein Millionen Euro teures medizinisches Gerät? Was da im Hirn abläuft, wird auch an unseren Gesichtern sichtbar, wenn ein Ferrari vorbeiröhrt.

Und: Wer sagt uns, dass eine Aktivierung des Belohnungszentrums im Gehirn tatsächlich zum Kauf führt? Wir dröhnen uns ja auch nicht den ganzen Tag mit Alkohol, Nikotin und Koks zu, bloß weil unser kleiner Nucleus accumbens das wohl gerne so hätte. Selbst wenn es ihn tatsächlich geben sollte: Der von der Industrie erträumte Kauf-mich-Knopf steht bei gesunden Personen unter der Kontrolle des rationalen Neokortex, der Hirnrinde. Bleibt überdies das Problem der Interpretation: Misst der Forscher beispielsweise erhöhte Aktivität in der Hirnregion Mandelkern - dem Sitz vieler Emotionen -, weiß er deswegen noch lange nicht, ob eine Versuchsperson weint oder lacht.

Entsprechend rar sind neuere Beispiele, wie Hirnforschung beim Verkaufen hilft. Trotzdem können wir von der Schnittstelle Neurologie und Werbung eine Menge lernen. Erstens: Mittlerweile zog sich Daimler aus der Hirnforschung ebenso zurück wie aus Chrysler. Offenbar hilft beim Autoverkaufen die Konzentration auf die Kernmarke eher als die auf Kernspin-Bilder. Zweitens verstehen wir jetzt, warum Geld völlig überbewertet wird, es macht nämlich ähnlich süchtig wie Zigaretten oder Koks. Vermutlich sollte es in der Öffentlichkeit verboten werden. Drittens, wenn man Affen lässt, stimulieren die ihr Lustzentrum, bis sie tot umfallen. Bei Konsumenten ist das jedoch nicht wünschenswert - schließlich kann nur, wer noch lebt, auch zum Einkaufen gehen.

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