Die Ein-Wort-Werbekampagne

Von Peter Littmann

Mein Name ist Hase und ich weiß von nix! Was wäre das fein, wenn sich Leute im Zuge einer Scheidung, Kündigung, staatsanwaltlichen Ermittlung oder eines Konkursverfahrens einfach umbenennen könnten und so zumindest optisch die Verantwortung los würden. Leider rufen solche Versuche durch Individuen entweder die Polizei auf den Plan oder einen Psychiater. Die schweigen jedoch, wenn Organisationen sich so verhalten.

Zuletzt hob mit AIG eine der größten Versicherungen der Welt den Branding-Teppich hoch und schaufelte ein Image-Problem darunter. AIG Europe AG heißt nun Chartis Europe S.A. In der Pressemitteilung dazu steht: „Chartis ermöglicht durch seine exzellente Schadensexpertise und ausgezeichnete Finanzkraft seinen Versicherungskunden seit über 90 Jahren nahezu jedes Risiko zuverlässig zu steuern.” Bloß das eigene Risiko konnte AIG nicht steuern: In der Finanzkrise musste die US-Regierung den Konzern mit mehr als 180 Milliarden Dollar stützen, um einen Kollaps zu verhindern. An den Eigentumsverhältnissen ändert übrigens auch das neue Logo nichts, wo Chartis draufsteht, ist immer noch AIG drin, doch jetzt sind auch noch rund sieben Milliarden Dollar Markenwert beim Teufel. Kurz: Eingeweihte wissen, dass sie's mit AIG zu tun haben und für alle anderen ist Chartis zunächst Terra incognita.
Neutaufen werden gerne mit Wiedergeburten verwechselt und deswegen wird AIG nicht die letzte angeschlagene Organisation sein, die ihr Heil in einem neuen Namen sucht. Die erste war sie schon gar nicht. Stilbildend war der internationale Tugendwächter, die League of Nations, die sich 1946 nach einem Weltkrieg, den sie nicht verhindern konnte, in United Nations umbenannte. Merke: Die lyrische Beschreibung neuer Persönlichkeiten maskiert in der Regel starke Schmerzen.
2003 wird aus Philip Morris Altria, weil das von teuren Gerichtsverfahren umgebene Unternehmen nicht mehr als Tabakfirma für Gesundheitsgefährdenden Rauch gesehen werden will. Philip Morris USA bleibt dennoch zu 100 Prozent im Besitz des Konzerns. Die schlecht gemanagte KarstadtQuelle verwandelt sich 2007 in ein abenteuerliches Arcandor, doch Geschäftsmodell und Management bleiben angreifbar und nun ist der Laden bekanntlich Gegenstand eines Konkursverfahrens. Die Schweizer Cablecom will sich in UPC umbenennen, nachdem der Kabelnetzbetreiber in den vergangenen Jahren durch das Abschalten analoger TV-Kanäle, das Versenden falscher Rechnungen und Servicemängel seine Kunden in die Flucht schlug.
Nicht alle neuen Masken auf alten Bräuten sind Krisen geschuldet, oft stehen auch nur Fusionen dahinter. Die daraus resultierenden Namen stinken dennoch oft so scheußlich nach Kompromiss wie die anderen nach Versagen. Morgan Stanley Dean Witter & Co., Total Fina Elf; AOL Time Warner; DaimlerChrysler – einst gesunde Marken, zu Hybriden zusammen gestichelt. Die erste Firma heißt nun wieder Morgan Stanley und die zweite Total, Daimler wurde seinen krankmachenden Wurmfortsatz wieder los und PriceWaterhouseCoopers - mit 22 Buchstaben wohl die längste Unternehmung der Welt – kürzt sich auch selber lieber als PWC.
Idee lobenswert, Ausführung schlecht – aber immer noch besser, als das Verhalten der meisten Anwaltskanzleien, Wirtschaftsberatungen oder Vermögensverwaltungen, deren Name an längst verstorbene Partner erinnert, anstatt an die Ein-Wort-Werbekampagne, die ein guter Unternehmensname sein kann. Als die Rechtsanwälte Bruckhaus Westrick Stegemann beispielsweise mit Österreichs Heller, Löber, Bahn & Partner fusionierten, kam dabei zuerst Bruckhaus Westrick Heller Löber heraus. Später schlupften die deutschen und österreichischen Anwälte zusammen mit Deringer Tessin Herrmann & Sedemund unter die seit 1743 bekannte und mit ihrem stilisierten Engel in der Wort-Bild-Marke einprägsame britische Marke Freshfields. Daraus ist jetzt Freshfields Bruckhaus Deringer geworden.
Unternehmensnamen müssen mehr sein als ein fauler Kompromiss zwischen ehrpusseligen Partnern oder frischer Lack auf einem rostigen Schiff. Menschen können einer Marke nur vertrauen, wenn sie die auch kennen und verstehen – daher ist in der Nomenklatur nichts wichtiger ist als Klarheit und Glaubwürdigkeit. Namen können Images von Produkten und ganzen Unternehmen beeinflussen. Sie einfach auszutauschen wie den verbrauchten Leiter der Marketingabteilung ist ein riskantes Geschäft und meist ähnlich clever wie der Versuch, auf wütende Gläubiger, Ehefrauen und Staatsanwälte zu reagieren mit „mein Name ist Hase...“

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