Die schwierige Fleischwerdung der Werbebotschaft

Von Peter Littmann

Stars und Sternchen können heute kaum noch aus einem Taxi steigen, geschweige denn zum vierten Mal heiraten, ohne dass die Boulevardpresse Amok läuft. Promis sind heute „Gefühlsarbeiter“, wie David Holman vom Institute for Work Psychology sagt, „ihr Beruf ist präsent zu sein“. Derart öffentlich vereinnahmt, wollen diese Leute natürlich vom ärgerlichen Verlust ihrer Privatsphäre profitieren. Sie lassen sich dafür honorieren, dass sie eine bestimmte Uhr besitzen, den Pappbecher einer bekannten Kaffeehauskette vor sich her tragen oder zu einer Preisverleihung in einer Versace/Armani/Was auch immer -Robe erscheinen. Waren 1975 noch knapp ein Viertel aller Product-Placements gratis – soll heißen der Star bekam bloß das Produkt geschenkt – galt das 2005 nur noch für 3,4 Prozent aller Fälle.


Heute bekommt eine gefeierte Actrice vor einer Oscar-Verleihung nicht nur 40 bis 50 Kleider unaufgefordert ins Hotel zugeschickt, sie wird auch noch dafür honoriert, dass sie sie anzieht. Schließlich rechnete das Modehaus Valentino schon mal aus, dass Julia Roberts Auftritt in einem seiner Fräckchen einen PR-Effekt von 25 Millionen Dollar hatte. Internetseiten wie www.like.com treiben das Spiel auf die Spitze: Wer da auf Fotos von verschiedenen Stars klickt, bekommt erstens mitgeteilt, was die Leute tatsächlich anhaben und was das kostet und zweitens eine lange Liste von nahezu gleichen, aber günstigeren Angeboten. Dass die so als Kleiderständer verwendeten „Gefühlsarbeiter“ mitverdienen wollen, ist verständlich.
Warum aber wollen wir dieselben Produkte wie die Celebrities? Der Theorien gibt es mehrere. Eine besagt, dass sie uns so schön von den wichtigeren Fragen nach dem Sinn des Lebens ablenken. Eine andere meint, dass uns der Kauf von mit bekannten Gesichtern beworbenen Produkten ein Zugehörigkeitsgefühl gibt, welches uns die Einsamkeit vergessen lässt. Eine dritte betont die amerikanische Hoffnung, die Starlets uns geben: Wenn die es schaffen im Leben, dann können wir das auch und das ganze Zeug hilft dabei.
Was die Stars umtreibt und was die Allgemeinheit, ist also kein Geheimnis. Warum aber nimmt die Testimonial-Werbung weiter zu, obwohl jeder zweite Verbraucher sagt, es spiele für sein Kaufverhalten keine Rolle, ob ein Reicher oder Schöner für ein Produkt wirbt? Im gelungenen Fall sind Berühmtheiten die Fleischwerdung einer Markenbotschaft, präsentiert mit einer visuellen Unmittelbarkeit, die Marketingchefs das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt. Wirksam wird sie besonders dann, wenn es dem Produkt an anderen Differenzierungsmerkmalen fehlt. Typisch dafür ist Hexal – eine Pharmafirma, die vor allem bekannte Medikamente nachbildet. Ihrem ganzen Wesen nach qualifiziert sich die Generika-Firma also nur über den Preis. In so einer Situation mit dem sich selber zum Hypochonder stilisierenden Entertainer Harald Schmidt zu werben, ist genial.
Wer keinen Charakter hat, kauft sich eben einen. In gewisser Weise steht Promi-Werbung also immer auch für Einfallslosigkeit. Große Stars wachsen nicht auf Bäumen und wenn bei gleichbleibenden Angebot die Nachfrage steigt, kommt entweder irgendwann der „Star des Tages“ als Eintagsfliege zum Zuge oder immer dieselben VIPs machen in Serie Werbung für Bier, Anzüge, Mobilfunkhersteller, Banken und Suppen. (Alles schon dagewesen, wie Franz Beckenbauer oder Dieter Bohlen bestätigen können). Da wundert sich irgendwann selbst das Dummerchen, das ausschließlich „Gala“ liest, ob diese überpräsenten Personen sich tatsächlich glaubwürdig für die Produkte interessieren oder bloß für den eigenen Kontostand.
Am Ende sind Stars selber Marken und die müssen zu den Brands passen, die sie bewerben. Im Geschäft mit der Popkultur gibt es Ikonen wie Jennifer Lopez und Madonna. Andere sind als Ergebnis von Marktforschung nur mühsam „gemacht“, wie die Statisten bei „Deutschland sucht den Superstar“. Wer schon in seinem eigenen Geschäft wenig Glaubwürdigkeit verstrahlt, kann in werblichen Randaktivitäten noch weniger überzeugen, vor allem auf Dauer. Die Unterhaltungsindustrie unterliegt längst der Kübelböckisierung – die Welt der Werbung ist gerade dabei, demselben Unsinn aufzusitzen. Eine Celebrity-Marke muss erst mal in sich funktionieren, bevor sie andere Botschaften verkaufen kann. „Gefühlsarbeiter“ werden immer Gefühle produzieren, falsch eingesetzt, kommen jedoch die falschen dabei heraus. Dann hilft wirklich nur noch Hexal.

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