Lustvolle Imagepflege, nicht nur im Lehrplan

Von Peter Littmann

Für den 22. Dezember ist eine weltweite Antikriegs-Demonstration geplant. Die Organisatoren wollen allerdings nicht, dass wir auf die Straße gehen. Wir sollen vielmehr alle im Bett bleiben. Die Veranstaltung „Global Orgasm for Peace“ wurde von zwei kalifornischen Aktivisten geboren, die sich wünschen, dass wir vor Weihnachten alle zusammen kommen und uns dabei auf den Weltfrieden konzentrieren. Ihre Website verzeichnet 26.000 Besucher täglich – und das schon, bevor die Nachrichtenagentur Associated Press die neueste Version von „Make love, not war“ durch die Welt trompetete.


Die Althippies aus San Francisco nutzen die Emotionen um die öffentliche Diskussion des menschlichen Zeugungsaktes als Marketingtool. Motto: Willst du Aufmerksamkeit, brich eines der letzen Tabus, die auf dieser Welt noch übrig sind. Interessant an dem Vorgang ist jedoch nicht sein Inhalt, sondern die Frage: Darf der Mensch alles einem Markenbildungs-Prozess unterwerfen?
Eine akademische Debatte. In der Tat erklären Professoren ihren Studenten, dass und wie mit den Instrumenten der Markenbildung Interesse zu wecken und Geld zu verdienen ist. Nur scheuen sich die meisten deutschen Eminenzen, zu praktizieren, was sie predigen. Marketing scheint in ihren Augen ausschließlich für die kommerzielle Welt gemacht und sollte in den Universitäten am besten nur auf dem Lehrplan stattfinden. Werbung für den Elfenbeinturm, welch Sakrileg! Während nahezu alle anderen Non-profit-Organisationen mehr oder weniger lustvoll Imagepflege, PR und sogar klassische Werbekampagnen betreiben (wie www.globalorgasm.org so schön beweist), halten sich die deutschen Universitäten vornehm zurück.
Das mag zu Zeiten von Humboldt angemessen gewesen sein, in denen unsere Unis zu den besten der Welt zählten und sich um Zahl und Qualität der Studenten keine Gedanken machen mussten. Inzwischen jedoch sitzen die Prestige-Colleges in England und USA und der Bologna-Prozess, der Studienabschlüsse international vergleichbar macht, befördert die Abwanderung des Nachwuchses an die Sorbonne oder nach Oxbridge eher noch. Zuhause sind die Staatskassen leer und Studiengebühren im Anmarsch oder schon eingeführt. Intensive Diskussionen, wie das Image der eigenen Hochschule bei Personalchefs, Studenten und Geldgebern zu verbessern sei, wären in den Dekanaten zwischen Kiel und Konstanz also angebracht.
Uni-Menschen sind aber nur in der Forschung gut. Sie lieben Data und den Austausch von Meinungen. Die Exekution des Diskutierten ist nicht unbedingt ihre Stärke. Und so sagt Hayes Roth von der Markenberatung Landor, der schon mehrere Unis betreute: „In Akademia ist es nicht immer lohnend, Risiken einzugehen. Auch musste ich feststellen, dass es in Unis nicht gerade kollegial zugeht – eigentlich habe ich noch in keinem Unternehmen ein solches Niveau an Taktiererei erlebt.“ Das kommentieren wir nicht und sagen stattdessen: Die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule aus Aachen brauchte 15 Jahre, bis alle 260 Institute und 170 Forschungseinrichtungen unter ihrem Dach es über sich brachten, ein einheitliches RWTH-Logo zu verwenden. Abgesehen vom Tempo sind die Aachener ein echtes Vorbild, haben sie doch erkannt, dass ein klares Profil im Wettbewerb um Studenten immer wichtiger wird.
Amerikanische Deans starren schließlich wie gebannt auf die jährliche Rangliste der Hochschulen im „US News & World Report“ und Agenturen sind es gewohnt, Aufträge zu kriegen, die lauten: „Wir sind Platz 29. Wie kommen wir auf Nummer 25?“ Ähnliche Mechanismen laufen inzwischen fast überall. Insead, die französische Manager-Kaderschmiede, ernannte gerade Frank Brown zum Dekan. Er hat weder einen Doktortitel noch einen MBA und da er nur Englisch spricht, würde er zu den meisten Programmen seiner eigenen Schule gar nicht erst zugelassen. Stattdessen war er jahrelang im Topmanagement von PricewaterhouseCoopers Advisory Services und weiß, wie man eine Organisation promoted. Und genau das tut er jetzt.
Egal, ob es den Herren und Damen deutschen Professoren nun passt, Markenmanagement an Hochschulen ist entscheidend, da der internationale Markt für höhere Bildung immer kompetitiver wird. Es ist hoch an der Zeit, dass ein paar deutsche Geistesgrößen aus den Federn ihrer akademischen Arroganz gekrochen kommen und das Image ihrer Schule aktiv befördern. Bloss nicht am 22. Dezember - da heißt es schön im Bett bleiben.

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