Denglisch - oder wie man die Bläse des Gedankens verbirgt

Von Peter Littmann

Sportschau ist erstklassige Unterhaltung. Nahezu jeden Samstag sagt ein Spieler einen grandiosen Satz von folgendem Niveau: „Ich bin immer selbstkritisch, auch mir selbst gegenüber“. Die deutsche Sprache ist eine schwere und viele Athleten stolpern öfter beim Reden als beim Kicken. Deswegen meinte auch Lothar Matthäus über seine dritte Ehe, in der vorwiegend Englisch parliert wird: „Es ist manchmal ganz gut, wenn man sich sprachlich nicht so perfekt, aber sonst gut versteht.“


Vielleicht ist diese Distanz zu kognitiven Herausforderungen der Grund, warum so viele Herrschaften der deutschen Wirtschaft es von vorneherein vermeiden, etwas zu sagen, wenn sie etwas sagen. So publiziert ein großer Mineralölkonzern beispielsweise Verlautbarungen wie: „Als eines der führenden Unternehmen der Welt, tragen wir eine Verantwortung, hohe Maßstäbe zu setzen, um ein Unternehmen zu sein und als ein solches angesehen zu werden, das sich der Integrität verpflichtet hat. Unser Verhaltenskodex ist ausgelegt, um uns dabei zu helfen, den uns selbst gesetzten Maßstäben gerecht zu werden.“ Was soll das heißen? Früher nannte man so was Geschwafel. Heute Unternehmenskommunikation.
Weil Deutsch offenbar so widerständig ist für Anwendungen, die mit Geldverdienen zu tun haben, benutzen heimische Manager gerne Englisch. Das macht oft Sinn, ist es doch international die Sprache der Börse und der Wirtschaft. Überdies haben die Nazijahre einige deutsche Worte für immer zerstört und es ist daher verständlich, dass viele deswegen lieber von einem „leader“ sprechen als von einem „Führer“.
Dumm ist nur, wenn das Ergebnis Denglisch ist. „Das ist eine Challenge, der wir nur im Team begegnen können und dafür erwarte ich volles Commitment!“ Die hilflose Pseudo-Terminologie, die Souveränität signalisieren soll, ist eher dazu angetan, die Blässe des Gedankens zu verbergen.
Besonders attraktiv erscheint Englisch den Werbern, hört sich doch Citycall-Verbindung netter an als Ferngespräch, Lounge gemütlicher als Wartesaal und Anti Aging jünger als Faltencreme. Der Konsument soll sich weltgewandt fühlen, wenn er ins Regal greift, deswegen enthielten zur Jahrtausendwende 60 Prozent aller „Printanzeigen“ Anglizismen. Gleichzeitig belegten Studien, dass nur rund 15 Prozent der Bundesbürger über ausreichend Sprachkenntnisse verfügen, um Slogans wie „Come in and find out“ (Douglas) oder „Powered by emotion“ (Sat 1) zu verstehen. Ersteres wurde mit „komm rein und finde wieder heraus“, letzteres mit „Kraft durch Freude“ übersetzt. In der Folge wechselten nicht nur die Kosmetikbude und der Fernsehsender zurück zu Deutsch („Sat 1 zeigt’s allen“), sondern auch McDonalds wurde mit „Ich liebe es“ heimisch und RWE wechselte von „One Group. Multi Utilities“ zu „Alles in einer Hand".
Audi hingegen fährt die Gegenstrategie und bewirbt seine Autos in Großbritannien seit Jahren mit „Vorsprung durch Technik“. Das kann da kein Mensch aussprechen, aber egal: Die anderen Autohersteller zogen nach. Der Daimlerchef hat in USA als „Dr. Z.“ höchstpersönlich geworben und schmetterte fröhlich „Auf Wiedersehen!“ ins amerikanische Publikum. Volkswagen dreht komische Videoclips für den amerikanischen Markt, in denen abgedrehte Ingenieure mit deutschem Akzent den neuen GTI präsentieren. In Australien arbeitet der Konzern mit dem im Südpazifik gewöhnungsbedürftigen Slogan „Aus Liebe zum Automobil“.
Das ist selbstbewusst und sympathisch, kommt da doch ein neues Deutschlandbild zum Tragen: Technisch immer noch erstklassig, dabei fröhlich, gelassen, selbstironisch. Unproblematisch ist es dennoch nicht, wie Daimler erfahren musste, gab es doch schnell auch bösartige Kommentare im Sinne von „lieber Dr. Z.“ als Dr. Mengele“. Werbung soll verstanden werden und muss deshalb das Publikum da in Empfang nehmen, wo es steht. Am besten in seiner eigenen Sprache. Im Übrigen funktioniert Deutsch im Ausland wirklich nur für unsere Stärken und das sind im Auge der Außenseiter bloß Bier und Autos. Also liebe Werber, guckt öfters die Sportschau und lernt: Wir sollten immer schön selbstkritisch sein, besonders uns selbst gegenüber.

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