Namen sind nicht nur Schall und Rauch

Von Peter Littmann

Immer mal wieder schieben junge Frauen in tief auf der Hüfte sitzenden pastellfarbenen Jogginghosen durch deutsche Fußgängerzonen. Auf ihren in der Regel wohl gerundeten Hintern steht FCUK. Diese Einladung der Damen kann je nach Gusto interpretiert werden als a) Rechtschreibschwäche, zumindest im Englischen, b) Mangel an Geschmack oder c) als merkwürdige Marketingmaßnahme einer britischen Bekleidungsfirma namens French Connection (UK).


Damit ist dieses Label aber eines der wenigen, die es schaffen, mit Abkürzungen Emotionen zu wecken - vielleicht mal abgesehen von den armen Konzernmenschen, die ihre Reisekosten mit einem SAP-System abrechnen müssen, denn diese neigen zu Wutanfällen, wenn das Zeichen aus Walldorf auf ihre Netzhaut trifft. Ansonsten stehen RWE, HSBC, ING, Eon entweder für alte Unternehmen, in denen seinerzeit noch keiner so recht über Branding nachdachte, oder für das Ergebnis eines Mergers, in dem sich kein vernünftiger Marketingmensch durchsetzen konnte. Jedenfalls haben sie alle die Chance auf einen großen Namen vertan, dem es gelingt, Emotion und Phantasie zu wecken.

Dasselbe gilt für Produktnamen. CMT-U1BT. Wer hätte gedacht, dass sich hinter dieser Schrecklichkeit nicht etwa ein Konservierungsmittel für Joghurt verbirgt, sondern ein Sony-Gerät, mit dem der Musikliebhaber kabellos seinen MP3 mit der Hi-Fi-Anlage verbinden kann? Wer das Ding haben will, muss sich den Namen auf einen Zettel notieren, bevor er es kauft, denn die Buchstabensuppe kann sich keiner auch nur von hier bis auf die Homepage des Herstellers merken. Andere Produzenten nutzen kryptische Bezeichnungen, damit ihr Low-Tech-Gerät wirkt wie das Ergebnis von Raketenwissenschaft: Pilot G-2 05 ist nämlich keinesfalls eine Raumfähre, sondern bloß ein Kugelschreiber.

Komischerweise kommen die imageträchtigsten Hersteller der deutschen Autoindustrie mit den kühlsten Bezeichnungen durchs Leben. Mercedes auf C-, E- und S-Klasse. BMW auf 3er, 5er und 7er. Immerhin, diese Nicht-Namen funktionieren international ohne Missverständnisse, allerdings wohl auch, weil sie den Konsumenten gnadenlos auf die starke und emotionsgeladene Kernmarke zurückwerfen. Weniger große Lifestylemarken wie Jeep hingegen tun gut daran, mit ihren Produktnamen Assoziationen zu wecken wie Wrangler, Rubicon oder Sahara. Denn wer kann sich schon unter einem Honda FR-V oder einem Toyota RAV4 etwas vorstellen?

Liebevoll ausgedacht sind dagegen viele alte Markennamen wie Zippo, Schweppes oder Hoover, wo der gesprochene Laut schon den Ton beschreibt, mit dem ein Feuerzeug aufschnappt, eine frisch geöffnete Limoflasche zischt oder ein Staubsauger brummt. Worte sind nun mal die Elemente, mit denen Menschen kommunizieren. Also sollten die Wörter, die für Produkte stehen, besonders kreativ, präzise und effektiv gewählt werden. Branding meint schließlich so viel wie "einbrennen".

Was gemeint ist, zeigt "Cherries in the Snow" - Kirschen im Schnee ist der Name des bestverkauften Revlon-Lippenstiftes aller Zeiten. Natürlich handelt es sich dabei bloß um irgendein Rot unter Tausenden, aber um Farbe geht es ja auch nicht, sondern um Worte und die Assoziationen, die sie auslösen. "Paparazzi Pink" ist übrigens auch nicht schlecht für einen Lippenstift. Könnte vom Pop-Poeten Charles Bukowski stammen, aber der ist bekanntlich schon im Himmel und nicht bei Revlon.

Die meisten Experten für kommerzielle Nomenklatur sind sich einig, das Wichtigste an einem Namen sei die Klarheit. Konsumenten müssen schließlich erst mal verstehen, was sie vor sich haben - Fressnapf ist eben Fressnapf, und Megaperls sind eben Megaperls. Außerdem kommt es auf die Alleinstellung und Differenzierbarkeit an - so wie bei iPod, iBook oder iTunes. Wenn das ertönt, sieht der Konsument die angebissene Frucht schon vor seinem geistigen Auge, das Wort Apple muss gar nicht mehr fallen.

Schwieriger ist schon die Frage, wie viele der Produkte im Unternehmen wirklich eigene Markennamen brauchen. Geht es nach dem System FedEx mit FedEx 2day, FedEx Box oder Fedex Europe First ist ja noch alles gut. Wenn viele kleine Ideen allerdings "kreative" Eigennamen kriegen, wird das am Ende nur unverständlich und teuer. Denn jeder neue Name will ja bekannt gemacht und gepflegt sein. Und schließlich können junge Damen nicht ständig Logos auf ihrem Hintern spazieren tragen.

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