Ethnomarketing - Vive la différence!

Von Peter Littmann

Gibt es eigentlich eine Frau, die ihre Haare mag? Asiatinnen haben einen dicken Schopf, schätzen aber Pflegeprodukte, die ihre Frisuren weniger voluminös erscheinen lassen. Afrikanerinnen haben üppige Locken, und viele quälen sich damit, diese loszuwerden. Europäische Vorstadtbeautys lassen sich mit Vergnügen lockige Dauerwellen in spaghettiglattes Haar drehen.


Von dieser Sehnsucht nach dem Anderen lebt L'Oréal. Der Konzern gibt 3,5 Prozent seines Umsatzes für Forschung aus, doppelt so viel wie die Konkurrenz. Das lohnt sich: 20 Prozent des Geschäfts stammen aus neuen Produkten. Ein wesentlicher Teil von ihnen zielt auf Nicht-Weiße, und die Innovationen dazu entstehen im Chicagoer Institute for Ethnic Hair & Skin Research und in einem Labor in Schanghai.

Die Lokalitäten stehen für die Zielmärkte: Schon ein Drittel der amerikanischen Bevölkerung ist hispanischer, afrikanischer oder asiatischer Herkunft. Diese Gruppen wachsen doppelt so schnell wie die Zahl der Amerikaner europäischer Abstammung. In den kommenden Jahren wird alleine der US-Umsatz mit ethnischer Kosmetik auf rund 15 Milliarden Dollar steigen - und der französische Konzern wächst so unausweichlich mit wie die Haare auf einem Wuschelkopf.

Ähnliche Überlegungen beleben die Märkte in Großbritannien. Ethnische Minderheiten machen dort acht Prozent der Bevölkerung aus. Nokia hat deswegen im Vereinigten Königreich ein Handy im Angebot, das seine muslimischen Besitzer an die vorgeschriebenen Gebetszeiten erinnert. HSBC offeriert über ihre Tochter Amanah Investitionsmöglichkeiten, die mit dem islamischen Zinsverbot kompatibel sind.

Glaxo Smithkline stellt für mehrere Getränke sicher, dass in ihnen auch nicht der kleinste Rest Alkohol enthalten ist, um den muslimischen Speiseregeln zu entsprechen. Ähnlich der Handelsriese Tesco, der rechtzeitig zum Fastenmonat Ramadan von solchen "Halal"-Produktlinien fünfzehn im Sortiment führt.

Und was passiert hier? Nicht viel. 2,5 Mill. Bürger türkischer Herkunft verfügen über geschätzte 18 Mrd. Euro im Jahr, die sie entgegen weit verbreiteter Annahmen zu 97 Prozent in Deutschland ausgeben und nicht nach Osten transferieren. Studien von Arbo Media zufolge ist jeder zweite Türke erklärter Fan von Markenartikeln, während Deutsche dies nur zu 34 Prozent von sich sagen.

Doch die meisten Werbeexperten nehmen hier zu Lande Minderheiten nur zögerlich in den Fokus - Studien zufolge halten zwei Drittel der Befragten ethnisches Marketing für "weniger wichtig". Dabei sind erste Testläufe eigentlich gut gelaufen. Otelo selber ist zwar in Arcor aufgegangen, aber der Otelo-Wald in der Türkei steht noch. Seinerzeit verpflichtete sich der Mobilfunkbetreiber für jeden Neuabschluss einen Baum in einem erosionsgefährdeten Gebiet in der Türkei zu pflanzen. Kurz darauf war jeder dritte türkische Haushalt in Deutschland Otelo-Kunde.

Auch die Allianz experimentiert sehr erfolgreich - allerdings nicht zu Hause. Die Tochter Allianz Life präsentiert sich im US-Markt betont Multikulti und wuchs damit im vergangenen Jahr um 44 Prozent.

Woher also rührt die Zurückhaltung? Offensichtlich sind die praktischen Schwierigkeiten. Es reicht nicht, deutsches Material einfach nur zu übersetzen, sondern da müssen Kenner der jeweiligen Kultur ran, die sich mit ihren moralischen und ästhetischen Besonderheiten auskennen.

Sonst passiert, was der Wuppertaler Wal-Mart erlebte, als es ihn noch gab: Der Händler hatte mit der türkischen Flagge bedruckte Handtücher im Regal, doch welcher türkische Patriot würde sich je mit dem nationalen Symbol den Rücken und alles andere abtrocknen. Genauso wenig übrigens, wie er als Moslem ein "Schwein" hat, wenn er Glück haben sollte. Schweine gelten als unreine Tiere und Glücksschweine in der Werbung entwickeln sich schnell zum Bumerang.

Tiefer liegend, aber schwerer wiegend ist vermutlich ein anderer Aspekt: Vor dem Hintergrund ihrer Geschichte finden Deutsche es haarig, Zielgruppen entlang ihrer Religion oder ihres ethnischen Hintergrunds zu definieren.

Das ist sympathisch, springt inhaltlich aber zu kurz. Respekt vor den Konsumenten ist bei jeder Form von Werbung ein Muss, und wenn der gegeben ist, freuen sich die meisten Kunden, wenn ihnen signalisiert wird, dass man ihre Eigenheiten versteht. Das ist wie mit Shampoo - bloß weil es Spezialprodukte für blondes, braunes oder rotes Haar gibt, heißt das noch lange nicht, dass der Hersteller das eine schöner findet als das andere.

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