Auch Patente brauchen strategisches Management

Von Peter Littmann

Auf die Marke kommt es an! Das hat sich inzwischen flächendeckend herumgesprochen. Allein Amazon.com spuckt zum Thema Marke an die 20 000 Buchtitel aus. Doch immer noch betrachtet nur jedes fünfte Unternehmen das Management seiner Patente als strategische Aufgabe.
Was das eine mit dem anderen zu tun hat? Nun, hinter vielen Logos steht wenig mehr als ein Patent. Beispiele wie Geox oder Goretex zeigen, dass Markenaufbau und Management geistigen Eigentums - Intellectual Property - in vielen Fällen Zwillinge sind. Doch die Sorge um patentiertes Wissen wird in vielen Unternehmen eher als Schutz vor Missbrauch verstanden, damit als eine rein technische Aufgabe, die in der Rechtsabteilung am besten aufgehoben ist.


Ganz so einfach ist es aber nicht, wie ein Beispiel aus der Pharmaindustrie zeigt: Prozac. Das Antidepressivum mit dem Wirkstoff Fluoxetine gilt als das erfolgreichste Medikament aller Zeiten aus amerikanischen Labors. Der Markenname wird in den Staaten für stimmungsaufhellende Psychopharmaka fast so generisch verwendet wie wir "Haste mal 'ne Aspirin" fragen, wenn wir nach einem Schmerzmittel verlangen.

Im Herbst 2001 verlor Hersteller Eli Lilly jedoch einen Patentprozess, die Folge: Generika überschwemmten den Markt. Der Absatz von Prozac sank um 80 Prozent. Der Markenname lebt seither in Buchtiteln oder Popsongs weiter, nicht aber im Umsatz seiner Erfinder. Ohne patentiertes Wissen hat die Marke ein Problem.

Was lehrt uns das? Sollen wir Wissen am besten so umklammern wie ein Baby den Finger der Mutter?

Bei IT-Konzern IBM ist man anderer Meinung. Der Konzern hat über 500 Softwarecodes freigegeben. Je mehr Leute sie benutzen, desto besser. Die Idee ist die alte aus der New Economy: Unsere Freigiebigkeit macht den Kuchen für alle größer, und wenn alle wachsen, florieren wir mit.

Wenn im Open-Source-Verfahren auf IBM-Plattformen neue Anwendungen und Produkte entstehen, setzt Big Blue den Standard und nicht wie gewöhnlich Microsoft. IBM füttert naturwissenschaftliche Fakultäten von Top-Universitäten mit Expertenwissen; arbeitet mit Sony und Toshiba gemeinsam an neuen Prozessoren, die hinterher in Playstations, TV-Geräten und Computern zu finden sind; bezahlt 600 Programmierer, damit sie die viel geliebte Plattform Linux weiterentwickeln. Konsequentere Markenpflege ist kaum vorstellbar.

Die Beispiele zeigen erstens: Sinnvoller Umgang mit geistigem Eigentum bedeutet in jeder Branche und für jedes Unternehmen etwas anderes. Manche sollten auf ihren Patenten sitzen wie Fort Knox auf dem Gold, um ihre technologische Vorrangstellung zu schützen. Andere fahren besser, wenn sie ihr Wissen mit strategischen Partnern teilen und ihr Know-how zum allgemeinen Standard wird.

Zweitens: Wackeliges Patentmanagement ist ebenso riskant wie mieses Markenmanagement. Einer Untersuchung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte Touche zufolge sind 70 Prozent des Wertes der 500 größten US-Konzerne nicht mit Händen zu greifen, da ihr Wert auf Patenten und Urheberrechten beruht.

Wie man Marken- und Patentmanagement intelligent verbindet, zeigt der Konsumgüterkonzern Henkel. Die Düsseldorfer bedienen im Geschäft mit Waschmittel so ziemlich jeden Geldbeutel: Persil, Perwoll, Spee, Weißer Riese, Vernel, Sil, Dato - bald gibt es mehr Seife als Dreck.

Soweit die horizontale Differenzierung, dazu kommt die vertikale: Pulver, Gel, flüssig und das Ganze noch mal in verschiedenen Konzentrationsformen von aktiv bis ... und genau hier verliert man den Überblick. Wie auch immer, der Konzern schützt Produkte und Verpackungen mit einer Mischung aus Patenten, Gebrauchsmustern und Marken perfekt und vermarktet sie intelligent.

Henkel gehört zu den erfolgreichsten Markenhäusern Europas. Wie gut IBM mit der Gegenstrategie fahren wird, ist noch nicht raus. Im vergangenen September allerdings fragte Goldman Sachs die IT-Manager der Weltkonzerne, mit wem sie am liebsten künftig Geschäfte machen würden. "IBM", lautete die Antwort - bei Service und Hardware.

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