Die Alko-Spots beweisen: Werbung wirkt

Von Peter Littmann

Samstagnacht in Manchester. Zwei Leute stürzen gleichzeitig auf ein Taxi zu, können sich nicht einigen, wer zuerst da war, und beginnen eine heftige Prügelei. Mal wieder typisch für besoffene Kerle, finden wir.


Doch mal halblang mit der Entrüstung, denn da kloppen sich gerade junge Frauen. Der amerikanische Politikprofessor Francis Fukuyama schrieb vor ein paar Jahren in seinem berühmten Buch "Das Ende der Geschichte", dass die Evolution dafür gesorgt habe, dass Aggression und Statuskämpfe Teil der männlichen Natur seien. Das Killer-Gen sitzt in den Hoden, so lautet verkürzt seine These.

Eher in der Leber, denn wie es aussieht, hat der gute Mann nur solange Recht, wie die Damen nüchtern bleiben. Die britischen Polizeibehörden zeigen sich derzeit über die steigende Zahl junger Amazonen schockiert, die einander in Schlägereien verwickeln.

Englische Clubwirte verlangen schon seit Jahren eine Kaution bei Junggesellenpartys. Wenn die Jungs Ärger machen, verfällt das Geld. Neuerdings müssen auch Bräute einen Scheck hinterlegen, bevor sie mit ihren Freundinnen die Bar zerlegen. Studien von Datamonitor belegen, dass Frauen unter 24 heute ein ganzes Drittel mehr Alkohol kippen als noch vor fünf Jahren. Die Zahl der Frauen unter 44, die an Leberkrankheiten sterben, hat sich seit 1970 fast verzehnfacht.

Wie kommt's? Nun, die männlichen Baby-Boomer werden älter, denken öfter an ihren Führerschein und den nächsten Morgen und reduzieren den Konsum an Nervengiften. Wenn sie überhaupt in die Flasche gucken, dann trinken sie eher teurere Getränke wie Wein oder Singlemalt Whiskey.

In der Folge stagniert der Alkoholkonsum in den USA und in Deutschland, in Frankreich sinkt er sogar. Also müssen neue Konsumentengruppen her - und junge weibliche Komsumenten versprechen die größten Zuwachsraten. Logischerweise versucht die Schnapsindustrie, ihren Produkten die Aura des Altherrengesöffs zu nehmen. Unter anderem dadurch, dass der Schnaps nun als süßes, knallbuntes Mixgetränk daherkommt.

Mittlerweile stehen die Alcopops für zehn Prozent des Umsatzes von Marktführer Diageo aus Großbritannien. Die französische Pernod-Ricard-Gruppe übernimmt den britischen Konkurrenten Allied Domecq vor allem, um an die Frauenprodukte Kalhua oder Mumm Sekt zu kommen. Die US-Brauerei Anheuser-Busch startet Peels, alkoholisierte Fruchtgetränke; Absolut-Vodka gibt es neuerdings auch mit Mandarinen- und Vanillegeschmack.

Die Position der Hersteller ist klar wie Gin. Aber warum tun die Mädels sich das an? Junge Frauen haben heute eine sehr große Unabhängigkeit, ein eigenes Einkommen, heiraten immer später und begießen diese Errungenschaften offenbar gerne. Aber das ist nur die halbe Wahrheit, die andere Hälfte heißt Werbung.

Ein russischer Wodkahersteller mietet die Freiheitsstatue vor dem New Yorker Hafen, um sein Label in voller Bevölkerungsbreite zu promoten, Kalhua und Tia Maria werden mit Millionenbudgets frauengerecht emotionalisiert, Anheuser Busch lädt Redakteurinnen der Frauenmagazine in Spa-Clubs ein und serviert ihnen zur Gratis-Gesichtsbehandlung seine neuen Drinks, Heineken wirbt plötzlich in Magazinen wie "Glamour" oder "InStyle".

Die Hamburgische Anstalt für neue Medien analysierte die Darstellungen von Alkohol in deutschen Fernsehprogrammen: Dem Fernsehkonsumenten begegnen durchschnittlich neun Alkoholszenen pro Stunde. Diese Präsenz suggeriert nicht nur die Allgegenwart des Alkohols, sondern auch, dass so ziemlich alles, was Spaß macht, mit ihm zu tun hat: In den Spots wird gelacht, geflirtet, gefeiert, getanzt und geliebt, dass es eine Freude ist.

Da staunen alte Hasen. Nicht weil Unternehmen neue Produkte generieren, nicht weil das Anfixen einer weiteren Zielgruppe kontrovers diskutiert werden könnte und auch nicht, weil jungen Frauen nichts Besseres einfällt, als ihre Freiheit damit zuzubringen, ausgerechnet die Sauffreudigkeit der Männer zu kopieren. Wir staunen, weil Werbung tatsächlich so ungeheuer wirkungsvoll ist. Seit Jahren kämpfen wir Profis die Zweifel nieder, ob sich heute tatsächlich noch einer von dem ganzen Quatsch beeinflussen lässt. Spätestens seit den Alko-Spots wissen wir ganz genau: Werbung wirkt.

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