Chinesen mischen das Beste aus Ost und West

Von Peter Littmann

Chinarestaurants waren lange Zeit das Schlimmste, was einem kulinarisch passieren konnte. M15 oder L4? Sah gleich aus, roch gleich, schmeckte gleich. Chop Suey & Co. hatte mit authentischem chinesischem Essen so viel zu tun wie Selbstbräuner mit Sonne. Essen konnte man da nicht, wohl aber studieren, wie total die Chinesen ihre Kultur verleugnen, um Geschäfte zu machen. Selber hätten die Chinesen das Zeug nie geschluckt.


Die Philosophie zu Hause in der Volksrepublik ist ähnlich. Was will der Westen? Eine billige Werkbank. Also wurde das kommunistische China willig zum Produktionszentrum der Kapitalisten. Das heißt noch lange nicht, dass diese den Pluralismus mit den Arbeitsplätzen importieren. Die Chinesen produzieren einfach nur billig, was Westler unter ihrem Logo vertreiben.

Vordergründig ist die westliche Hegemonie in Geschmacksfragen intakt. Ein Eindruck, der noch durch die Tatsache verstärkt wird, dass ständig neue Luxushersteller Flagshipstores in Chinas großen Städten aufmachen. "Qingdao? Nie gehört! Aber Louis Vuitton hat da ein Geschäft." In Sachen China paart sich im Westen häufig Ignoranz mit Arroganz.

Diese unheilige Allianz werden uns die Chinesen austreiben, wie uns die chinesische Geschichte lehrt: Die ist geprägt vom nationalen Streben nach Dominanz. Dieses stolze Volk, das sich von jeher in der Mitte der Welt sah, wird eine eigene Vorstellung davon entwickeln, was coole Mode ist, ein schickes Auto oder eine begehrenswerte Uhr. Zumindest wird es nicht mehr lange ausschließlich unsere Vorstellung von Luxus importieren.

Die meisten Wessis fangen bei der Idee von chinesischen Marken an zu lachen: Außer Haier, Lenovo und Tsingtao Bier kennt hier keine Socke volksrepublikanische Produkte! Nun, in den 70er-Jahren konnte sich auch niemand vorstellen, dass japanische Marken einmal ganze Branchen dominieren - geschweige denn, dass sie für Qualität und gutes Design stehen würden.

Die Chinesen brauchen dafür keine 30 Jahre. Ihre Produkte sind nicht mehr schlechter als die westlicher Fabriken, und sie kosten weniger. Das ist in ihrem Heimatmarkt entscheidend, denn in China ist ein Jahreseinkommen von 3 000 Dollar ordentlich. Deswegen warnt Hans Joachim Fuchs von der Spezialberatung Chinabrand völlig zu Recht: "Sogar in Schanghai, der reichsten chinesischen Stadt, sind die meisten westlichen Geschäfte leer, während in den Läden mit chinesischen Brands gut was los ist."

Unterhalb des Premiumsegments wird die Luft schon dünn: Bei weißer Ware haben heimische Produkte bereits einen Marktanteil von über 60 Prozent, bei den Mobiltelefonen sind Weltmarken Nokia oder Motorola abgehängt durch Ningo Bird oder Konka. Die Chinesen beginnen, selber Autos zu bauen, und die Regierung hat die Konzerne in einer "Go global"-Initiative aufgefordert, eigene Marken zu entwickeln.

Chinas Tradition ist, Know-how ins Land zu holen, um es mit der eigenen Handwerkskunst zu etwas Eigenem zu verfeinern. Das Ergebnis ist ein Volk mit einem generischen Sinn für Qualität als Ausdruck von Zivilisation bei gleichzeitiger Offenheit für Trends.

Die Phase des Know-how-Imports ist wieder mal abgeschlossen, jetzt beginnt Kreation. In China arbeiten 25 000 Designer an Ware, die unsere Textilmärkte überschwemmt. So mancher davon wird eine eigene Handschrift und Kollektion entwickeln. Hu Rong, Zhang Da und Wang Yiyang mögen auf Kö, Jungfernstieg und Maximiliansstraße unbekannt sein, aber sie werden in China vielleicht bald mit Chanel und Prada um Kunden boxen.

Die Chinesen imitieren nur eine Zeit lang. Sobald sie wissen, was sie tun, schlägt das Imperium zurück. Sogar in der Küche - inzwischen zählen chinesische Restaurants in allen Metropolen der Welt zu den besten Futterstellen. Ihre Chefs machen "Fusion": Sie mischen das Beste aus Ost und West.

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