Kein Logo ist erst recht ein Logo

Von Peter Littmann

Schuhtick ist weiblich. Hier werden die meisten Männer nicken, die jüngeren Augen verdrehend, die älteren weise lächelnd. Das Leben hat Letztere gelehrt, dass es Dinge gibt, die nicht zu ändern sind, und dazu gehören das Wetter und die symbiotische Beziehung der Liebsten zu ihrem Schuhgeschäft. Das war bis vorgestern so.


Heute steht fest: Schuhtick ist auch männlich. Wer das nicht glaubt, dem sei ein Blick in www.crookedtongues.com empfohlen. Das ist eine Spezialseite für Turnschuh-Fans, und das sind zumeist Kerle wie du und ich. Chris Law - oder C-Law, wie er sich im Netz nennt, - hat ein paar hundert Paar. In seinem Blog "Confessions of an Obsession" beschreibt er die morgendliche Qual, sich für das Label des Tages zu entscheiden. Eine Wahl, die bestimmt wird vom Wetter und der Musik, die C-Law gerade hört.

Dann gibt es da noch Männer wie Dylan Cole. Er studiert, lebt vegan und damit ohne tierische Produkte und trägt am liebsten Schuhe von Blackspot. Diese Treter sind aus "vegetarischem Material", also aus biodynamisch hergestelltem Hanf und recycelten Autoreifen. Sie werden in einer "sicheren, gewerkschaftlich kontrollierten" Fabrik in Portugal hergestellt. Sie heißen "Unswoosher", was ganz klar eine Referenz an das bekannteste Markenzeichen der Branche ist, den Swoosh von Nike. Folgerichtig tragen Blackspots statt eines Logos nur einen Kreis.

Vertrieben werden sie durch die Erfinder von "Adbusters", ein Magazin mit 120 000 Lesern, das für seine Kritik am seelenlosen Materialismus der Industriegesellschaft bekannt ist. Slogan: "Blackspots sind Schuhe, die was aushalten - entworfen, um den giftigen Megakorporationen das zu geben, was sie am dringendsten brauchen: einen kräftigen Tritt in die Marke." Über die Konkurrenz heißt es: "Hinter dem Swoosh lauert das unbequeme Wissen, dass die Marke Nike entstanden ist durch Sweatshops, obszöne Profitmargen und die Verschwendung von viel Geld für Herstellung von Pseudo-Coolness."

Bleibt die Frage, wer eigentlich besessener ist vom Thema Brands: C-Law mit seinem Schrank voll Adidas, Nike's und Puma's? Oder Leute wie Dylan, die davon träumen "eine weltweite Konsumentenkooperative zu etablieren, um die Souveränität des Käufers über den Kapitalismus wiederherzustellen" und die ansonsten brav der Anleitung von "Adbusters" folgen und alle Markenzeichen auf ihrer Kleidung mit einem schwarzen Punkt übermalen? Vermutlich nach jeder Wäsche neu.

Die Anti-Konsumenten wirken leidenschaftlicher: Das wichtigste für C-Law ist die abendliche Putzorgie, die den Schuh des Tages wie neu aussehen lassen soll. Blackspot-Träger haben andere Sorgen: Sie wollen Nike & Co den Garaus machen, ebenso McDonald's und Starbucks. Jeder Unswoosher trägt daher auf der Spitze einen roten Punkt - um die Unternehmen "in den Arsch zu treten", wie Kalle Lasn, der Chef von Blackspot sagt. Bisher haben die Aktien der Megabrand-Hersteller nicht auf diese finstere Drohung reagiert.

Warum auch, denn dem modernen Kapitalismus kann man so einfach nicht entkommen. Die kalifornische Trendagentur Outlaw erklärte Blackspot ironischerweise zu einem der heißesten Brands der Gegenwart. Keine Marke - das ist am Ende eben erst recht eine Marke. Deswegen gab es Berichte in "Forbes" und der "New York Times", und nun wollen viele Konsumenten ihre konsumkritische Haltung mit dem Konsum von Blackspots beweisen. Rebellentum ist nur noch eine Form von Lifestyle.

Das wäre zum Lachen, wenn es nicht so traurig wäre. Eigentlich wollen wir eine gesündere Welt, aber Lasn hat nur zwei Alternativen, die beide zum selben Ziel führen. Er kann sich verhalten wie sein Lieblingsfeind, Nike-Gründer Phil Knight, und einfach Turnschuhe verkaufen - dann macht er Geschäfte wie alle seine Gegner. Oder er kann sich wie bisher weigern, sein Produkt über Megahandelsketten wie Foot Locker zu vertreiben.

Die 20 000 Paar, die seit 2003 über den Tresen gingen (Nike verkauft diese Anzahl in der Stunde), gab es bislang nämlich nur in kleinen inhabergeführten Lädchen zu kaufen, oder eben online. Das führt zu Knappheit, und die wiederum macht die Marke noch heißer. Vermutlich haben die ersten Turnschuh-Freaks die Dinger bereits im Schrank.

Merke: Wer sich auf den Markt begibt, um den Markt zu bekämpfen, macht am Ende nur einen neuen Markt.

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